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Vollständige Version anzeigen : Warum gibt es keine Demokratiekritik?



archangelos
01.11.2010, 23:57
Das ist etwas, was ich mich tatsächlich ehrlich (!) frage. Ganz ohne Hintergedanken (erstmal)...

Sonst wird doch alles und jedes in unserem Land der Kritik unterworfen. Konservative Werte, Autorität, Kommunismus, Kirche und andere nicht-staatstragende Dinge sowieso - aber gerechterweise muss man ja sagen, dass es auch an Staatstragendem, Parteien, Politiker, Rechtssystem etc. durchaus immer wieder Kritik gibt und geben darf. Vielleicht nur von kleineren Gruppen, aber immerhin gibt es die.

Warum aber zum Teufel stellt denn niemand die Demokratie in Frage? Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit (sogar Putin und Kim Jong Il verstehen sich als demokratisch legitimierte Herrscher).

Dabei ist die "Erfolgs"geschichte der Demokratie - verglichen mit jener der Monarchie z.B. - ja noch extrem kurz - in Europa bestenfalls seit 1918, eigentlich erst seit 1945.

Wie konnte sie so schnell so unantastbar werden? Was meint Ihr, was sind die Gründe für diesen spontanen Siegeszug?

Herbstgold
02.11.2010, 00:05
Ich denke das hat psychologische Gründe.
So nutzt man das Wort demokratisch ja immer sehr gerne, um dem Volk ein Mitbestimmungsrecht vorzugaukeln.
Wenn sich dieser Irrglaube erst einmal festgesetzt hat, dann ist es wesentlich leichter, das Stimmvieh zu lenken, da es der Meinung ist, dass seine Belange nicht nur vertreten werden, sondern sie maßgeblich an Entscheidungen beteiligt wurden.

sisyphos
02.11.2010, 00:35
Es gibt sehr wohl Demokratiekritik, nur eben nicht von der parlamentarischen Bürokratie selbst. Wäre ja auch sehr verwunderlich, wenn sich die volksfernen Bürokraten ihren eigenen Ast ansägen würden. Wesentlich wird Demokratiekritik von radikalen Kräften geübt, egal welcher Ausrichtung. In Erinnerung blieb mir beispiels der Text der jungen Linken: Die Demokratie und ihre Idealisten. (http://www.junge-linke.org/de/die_demokratie_und_ihre_idealisten#more-615) Ich hoffe, dass das der richtige Text ist, denke ich aber; habe ihn gerade überflogen ... er scheint editiert worden zu sein. Aber soweit ich's in Erinnerung habe standen da recht gute, vernünftige Sachen drin.

Tantalit
02.11.2010, 05:47
Natürlich gibt es Demokratiekritik, erst vorgestern hat Petra Pau gesagt, das Volk müßte viel stärker in die politischen Entscheidungsprozesse einbezogen werden, da es der souverän ist und nicht die Politiker.
Deutschland ist in Fragen der Demokratie eines der rückständigsten Länder in Europa. S21 ist ein gutes Beispiel dafür was passiert wenn man den Bürger nicht einbezieht oder es ihm verwehrt gehört zu werden.

Ich dachte bis jetzt das ist der ganz normale Umgang mit Untertanen, muß ich wohl nochmal nachlesen was eine echte Demokratie ist.

PS: In Deutschland ist Demokratie eine Diktatur der Volksvertreter.

marc
02.11.2010, 06:33
Warum aber zum Teufel stellt denn niemand die Demokratie in Frage?

Wenn du unter Demokratie die Herrschaft eines Volkes verstehst, dessen mehrheitlicher Wille sich in Wahlen manifestiert, dann gibt es sehr wohl eine große Tradition der Demokratiekritik - dann gibt es die preußische Warnung vor dem beschränkten Untertanenverstande und die grüne vor einer populistischen Falle; dann gibt es die Verankerung von Würde als einer "unveräußerlichen" und die Furcht, daß Volksabstimmungen zur Gängelung von Minderheiten führten. Es gibt Georg-Büchner-Preisträger, die in der ZEIT darüber schreiben dürfen, daß Demokratie zu einer Ausartung des Sozialstaats geführt habe, und Professoren, die betonen, daß sie "kein Gott" sei - und allgemeiner eine populäre Vorstellung von Menschenrechten, nach der diese nicht nur jedem Menschen zustehen sollten, sondern ihm auch quasi naturrechtlich zustünden - ergo selbst per Mehrheitsbescheid nicht entzogen werden dürften.

In diesem Sinne ist auch jede Religion antidemokratisch, weil jede darauf pocht, daß bestimmte Glaubensinhalte und Werte nicht zur demokratischen Disposition gestellt werden dürften. Also: eine absolut reinrassige Demokratie will vermutlich niemand; und auch ich würde nicht wollen, daß neun Nazis und ein Schwarzer über die Wiedereinführung der Sklaverei abstimmen. Tatsächlich nicht sehr weit verbreitet dürfte allerdings diese eigentümliche Demokratiekritik sein, die "libertäre" und vermutlich auch deine "anarchomonarchistische", die wohl darauf hinauslaufen, daß Demokratie deshalb so böse sei, weil sich eine Mehrheit dafür entscheiden könnte, daß der Staat und vulgo die Steuerzahler für den Bau von Krankenhäusern aufkommen sollten und ergo ja der kommunistische Faschismus eingeführt wird; die blöden Idioten mit dem tollen Pelz der tollen Hautfarbe außerdem in Dekadenz verfallen, statt dem König zu huldigen und ihm weiße Kinderlei zu schenken.

Abgesehen davon gibt es aber immer mehr Menschen, die der Politik entfremdet gegenüberstehen und sie wie eine externe Macht wahrnehmen, die gleich einer Naturgewalt über sie einbricht. Und folglich ist es verständlich, daß sich viele Menschen demokratische Volksentscheide und somit mehr direkte Mitbestimmung wünschen.

[Übrigens ist "kirchentreuer Freigeist" ein Widerspruch in sich, denn "Glaube heißt Gehorsam" (Papst Benedikt), ja Glaube ist "rationaler, aber bedinungsloser Gehorsam" (Robert Spaemann) - und Kirchentreue besteht darin, daß ein Teil der gedanklichen Ergebnisoffenheit wie der individuellen Suche nach Wahrheit zugunsten eben jenes Gehorsams aufgegeben wird. Zwar kann diese Treue bestimmte Widerstandskräfte zur Voraussetzung haben, doch wenn du etwa daran glaubst, daß Dogmen, auf deren Formulierung du keinen Einfluß hast, unter Beihilfe des Heiligen Geistes zustande kommen und sie "unbedingt" und "fest" geglaubt werden müssen, dann bist du per definitionem kein Frei-Geist mehr.]

sisyphos
02.11.2010, 10:22
Wenn du unter Demokratie die Herrschaft eines Volkes verstehst, dessen mehrheitlicher Wille sich in Wahlen manifestiert, dann gibt es sehr wohl eine große Tradition der Demokratiekritik - dann gibt es die preußische Warnung vor dem beschränkten Untertanenverstande und die grüne vor einer populistischen Falle; dann gibt es die Verankerung von Würde als einer "unveräußerlichen" und die Furcht, daß Volksabstimmungen zur Gängelung von Minderheiten führten. Es gibt Georg-Büchner-Preisträger, die in der ZEIT darüber schreiben dürfen, daß Demokratie zu einer Ausartung des Sozialstaats geführt habe, und Professoren, die betonen, daß sie "kein Gott" sei - und allgemeiner eine populäre Vorstellung von Menschenrechten, nach der diese nicht nur jedem Menschen zustehen sollten, sondern ihm auch quasi naturrechtlich zustünden - ergo selbst per Mehrheitsbescheid nicht entzogen werden dürften.

In diesem Sinne ist auch jede Religion antidemokratisch, weil jede darauf pocht, daß bestimmte Glaubensinhalte und Werte nicht zur demokratischen Disposition gestellt werden dürften. Also: eine absolut reinrassige Demokratie will vermutlich niemand; und auch ich würde nicht wollen, daß neun Nazis und ein Schwarzer über die Wiedereinführung der Sklaverei abstimmen. Tatsächlich nicht sehr weit verbreitet dürfte allerdings diese eigentümliche Demokratiekritik sein, die "libertäre" und vermutlich auch deine "anarchomonarchistische", die wohl darauf hinauslaufen, daß Demokratie deshalb so böse sei, weil sich eine Mehrheit dafür entscheiden könnte, daß der Staat und vulgo die Steuerzahler für den Bau von Krankenhäusern aufkommen sollten und ergo ja der kommunistische Faschismus eingeführt wird; die blöden Idioten mit dem tollen Pelz der tollen Hautfarbe außerdem in Dekadenz verfallen, statt dem König zu huldigen und ihm weiße Kinderlei zu schenken.

Abgesehen davon gibt es aber immer mehr Menschen, die der Politik entfremdet gegenüberstehen und sie wie eine externe Macht wahrnehmen, die gleich einer Naturgewalt über sie einbricht. Und folglich ist es verständlich, daß sich viele Menschen demokratische Volksentscheide und somit mehr direkte Mitbestimmung wünschen.

[Übrigens ist "kirchentreuer Freigeist" ein Widerspruch in sich, denn "Glaube heißt Gehorsam" (Papst Benedikt), ja Glaube ist "rationaler, aber bedinungsloser Gehorsam" (Robert Spaemann) - und Kirchentreue besteht darin, daß ein Teil der gedanklichen Ergebnisoffenheit wie der individuellen Suche nach Wahrheit zugunsten eben jenes Gehorsams aufgegeben wird. Zwar kann diese Treue bestimmte Widerstandskräfte zur Voraussetzung haben, doch wenn du etwa daran glaubst, daß Dogmen, auf deren Formulierung du keinen Einfluß hast, unter Beihilfe des Heiligen Geistes zustande kommen und sie "unbedingt" und "fest" geglaubt werden müssen, dann bist du per definitionem kein Frei-Geist mehr.]


Bravo. Vorallem der Schluss.

Ich danke wie folgt:

http://www.youtube.com/watch?v=6VL9TFvYyKI&feature=related

Bach. BWV 1004. Chaconne violin solo. Viktoria Mullova. 1

Zum Beweise des guten Geschmackes bist du verpflichtet dieses Lied 20 mal hintereinander anzuhören. Und natürlich aus Gründen der unbedingten Treue zum heiligen Geist ( ich )

twoxego
02.11.2010, 10:42
wo gäbe es keine demokratie kritik?
sie wurde zeitgleich mit der demokratie selbst erfunden.

zitate wie:
"Demokratie ist, wenn zwei Wölfe und ein Schaf über die nächste Mahlzeit abstimmen",
das meist fälschlich Franklin zugesprochen wird, gibt es wie sand am meer.

es gibt natürlich auch ausgewasene texte, unter anderem von

Bachrach, Peter,


Bobbio, Norberto,


Dahl, Robert,

Hondrich, Karl Otto,

Michels, Robert,

Pelinka, Anton,

Rauch, Herbert,
und

Sartori, Giovanni.

zwischen "ich kenne nichts" und "gibt es nicht", besteht noch immer ein unterschied.

übrigens steckt in oben angeführten zitat schon ein denkfehler.
es braucht keine zwei wölfe. einer reicht schon.

Ajax
02.11.2010, 11:11
Demokratie wird automatisch mit "gut" gleichgesetzt. Wer also gegen sie ist, muss demnach gegen das Gute sein, ist also ein böser Mensch, steht auf der falschen Seite, befindet sich außerhalb der menschlichen Zivilisation usw. Niemand will aber ein böser Mensch sein. Das ist die ganze verquere Logik, die dahinter steckt und von Medien und Politik in die Gehirne der Bevölkerung geimpft wurde.

Ferox
02.11.2010, 12:30
Jedes Volk braucht seine Heiligtümer. Wir haben die allem überlegen Demokratie. Jeder darf mitentscheiden, ergo ist es toll. Weil jeder weiß, was er will und jeder mitentscheiden darf, kommt dabei nur Gutes raus.

Die herrschende Klasse würde es niemals wagen, ihren heiligen Gral in Frage zu stellen und auch dem Volk gefällt die Illusion von Freiheit und Mitbestimmung. Wenn man die Gitterstäbe nicht sieht, sind sie gar nicht da.
Lediglich versprengte Randgruppen von dubiosen Dauernörglern wie Linksradikalen oder scheuen konservativen Intelektuellen kritisieren die verschiedenen Auffassungen von Demokratie umfangreich - auf verschiedene Weise und verschiedenem Niveau. Aber das bekommt eh niemand mit.

Die Mainstreammedien greifen das Thema eigentlich nur dann auf, wenn man sich lästigerweise mit direkter Demokratie auseinandersetzen muss. Dann kommt nämlich die Frage auf: Warum darf der Bürger auf Bundesebene nur alle 4 Jahre 2 Kreuzchen machen und warum sind die gewählten Volksvertreter, auf deren Kompetenz das ganze System aufgebaut ist, nichteinmal im Geringsten daran gebunden, ihre Wahlversprechen auch zu halten? Eine Möglichkeit, von der sie bekanntlich gerne Gebrauch machen...
Zum Glück springt dann stets ein Intelektueller der herrschenden Klasse aus der Kiste, der in blumigen Worten davor warnt, dass Ottonormalbürger viel zu dumm, uninformiert und inkompetent sei, um sinnvolle Entscheidungen zu treffen.

Warum er dann schlau genug sein soll, um in einem komplexen Gewirr aus Parteienpolitik, Wirtschaftslobbys und ideologischen Strömungen mit nur einem Kreuzchen die richtige Partei zu wählen, erklärt man in solchen Momenten besser nicht.

Bruddler
02.11.2010, 12:37
Das ist etwas, was ich mich tatsächlich ehrlich (!) frage. Ganz ohne Hintergedanken (erstmal)...

Sonst wird doch alles und jedes in unserem Land der Kritik unterworfen. Konservative Werte, Autorität, Kommunismus, Kirche und andere nicht-staatstragende Dinge sowieso - aber gerechterweise muss man ja sagen, dass es auch an Staatstragendem, Parteien, Politiker, Rechtssystem etc. durchaus immer wieder Kritik gibt und geben darf. Vielleicht nur von kleineren Gruppen, aber immerhin gibt es die.

Warum aber zum Teufel stellt denn niemand die Demokratie in Frage? Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit (sogar Putin und Kim Jong Il verstehen sich als demokratisch legitimierte Herrscher).

Dabei ist die "Erfolgs"geschichte der Demokratie - verglichen mit jener der Monarchie z.B. - ja noch extrem kurz - in Europa bestenfalls seit 1918, eigentlich erst seit 1945.

Wie konnte sie so schnell so unantastbar werden? Was meint Ihr, was sind die Gründe für diesen spontanen Siegeszug?

Warum gibt es keine Demokratiekritik ?....

Warum soll man etwas kritisieren, das es bei uns gar nicht gibt ? :rolleyes:

Bruddler
02.11.2010, 12:40
Demokratie wird automatisch mit "gut" gleichgesetzt. Wer also gegen sie ist, muss demnach gegen das Gute sein, ist also ein böser Mensch, steht auf der falschen Seite, befindet sich außerhalb der menschlichen Zivilisation usw. Niemand will aber ein böser Mensch sein. Das ist die ganze verquere Logik, die dahinter steckt und von Medien und Politik in die Gehirne der Bevölkerung geimpft wurde.

Nennt sich nicht jeder Unrechtsstaat "Demokratie" ?
War nicht auch die "DDR" eine "Demokratie" ?

Humer
02.11.2010, 12:50
Es gibt heftige Demokratiekritik.
Kritisiert werden die Parteien, die sich den Staat zur Beute gemacht haben.
Dass es zuwenig Volksabstimmungen gibt.
Dass die Wirtschaft und die Banken die Richtung bestimmen.
Dass die Reichen immer reicher werden und die Armen ärmer.

Wenn das aber nicht die Art der Demokratiekritik ist, die im Titel gemeint ist, dann geht vermutlich um ganz andere Regierungsformen:
Diktatur, Monarchie, Kirchenstaat ?

sisyphos
02.11.2010, 13:29
Demokratie wird automatisch mit "gut" gleichgesetzt. Wer also gegen sie ist, muss demnach gegen das Gute sein, ist also ein böser Mensch, steht auf der falschen Seite, befindet sich außerhalb der menschlichen Zivilisation usw. Niemand will aber ein böser Mensch sein. Das ist die ganze verquere Logik, die dahinter steckt und von Medien und Politik in die Gehirne der Bevölkerung geimpft wurde.

Das nennt man Leitkultur.

-jmw-
02.11.2010, 16:31
Warum gibt es keine Demokratiekritik?
Schreib ich weiss auf weiss?

Gryphus
02.11.2010, 16:43
Warum aber zum Teufel stellt denn niemand die Demokratie in Frage?

Dann kennst du dich in diesem Forum aber nicht besonders aus. Ich verachte die Demokratie, eine Menge anderer Leute auch.

BRDDR_geschaedigter
02.11.2010, 16:58
Demokratie ist auch abzulehnen.

Einfach das Video in meiner Signatur anschaun.

-jmw-
02.11.2010, 17:10
Ich verachte die Demokratie, eine Menge anderer Leute auch.
Wen denn z.B.? ;)

Gryphus
02.11.2010, 17:15
Wen denn z.B.? ;)

Im Forum oder überhaupt? ;)

Sauerländer
02.11.2010, 17:26
Es gibt heftige Demokratiekritik.
Kritisiert werden die Parteien, die sich den Staat zur Beute gemacht haben.
Dass es zuwenig Volksabstimmungen gibt.
Dass die Wirtschaft und die Banken die Richtung bestimmen.
Dass die Reichen immer reicher werden und die Armen ärmer.

Wenn das aber nicht die Art der Demokratiekritik ist, die im Titel gemeint ist, dann geht vermutlich um ganz andere Regierungsformen:
Diktatur, Monarchie, Kirchenstaat ?
Parteienkritik, besonders Kritik ihrer Ausdehnung im Staat, Wunsch nach mehr direkter Demokratie - das ist nur Kritik an einer bestimmten Praxis der demokratischen Entscheidungsfindung, nicht an am Ende davon stehenden Inhalten.
Dem eine andere Art der Entscheidungsfindung entgegenzusetzen, ist ebenfalls erstmal in dieser Hinsicht rein formal.

Primär sollte es eigentlich nicht darum gehen, WIE Entscheidungen getroffen werden, sondern WAS FÜR Entscheidungen getroffen werden. Eine Demokratie kann genauso wie eine Diktatur, Monarchie, Theokratie oder was auch immer prinziell sowohl gute wie auch schlechte Entscheidungen treffen.

Primär geht es in meinen Augen darum, inhaltliche Ergebnisse zu beurteilen.
Es sei denn natürlich, es lässt sich aufzeigen, dass eine bestimmte Qualität von Ergebnissen in einem kausalen Zusammenhang mit der Art der Entscheidungsfindung stehen.
Ob dass bezogen auf das gegenwärtige System der Fall ist - das ist eine dieser spannenden Fragen. Spannend deshalb, weil kontrovers. Spannend aber auch deshalb, weil an der Antwort darauf eine ganze Systemlegitimation hängt.

-jmw-
02.11.2010, 17:31
Im Forum oder überhaupt?
Was Dir lieber ist. :D

Gryphus
02.11.2010, 17:58
Was Dir lieber ist. :D

Wenn ich mich auf Deutschland beschränke gäbe es z.B diese (http://www.forum.stalinwerke.de/) Leute, diese (http://www.aufrechte-monarchisten.de/) Leute oder diese (http://forum.thiazi.net/) Leute. :D

-jmw-
02.11.2010, 18:21
Die "aufrechten Monarchen" sind offensichtlich Anhänger des Grüssaugustismus.
Furchtbar!
Bei Thiazi müsst ich irgendwann vielleicht mal wieder was schreiben...

borisbaran
02.11.2010, 18:24
Wenn ich mich auf Deutschland beschränke gäbe es z.B diese (http://www.forum.stalinwerke.de/) Leute, diese (http://www.aufrechte-monarchisten.de/) Leute oder diese (http://forum.thiazi.net/) Leute. :D
Oder die (http://www.dailymotion.com/video/xsdji_rick-astley-never-gonna-give-you-up_music)hier.

archangelos
03.11.2010, 00:13
wow, erstmal danke für die ganzen Antworten. Habs leider grad erst geschafft, alles zu lesen, also mal der Reihe nach...

@Herbstgold, Ajax, Ferox: stimme Euch völlig zu. Es ist wahrscheinlich tatsächlich schmeichelhaft für so ein "Volk", sich in der Illusion des "Herrschens" zu sehen. Natürlich nur, wenns nicht zu anstrengend ist, aber es sind ja eh nur alle 4 Jahre Wahlen, und dazwischen gibts ja faktisch auch keine Demokratie, wie andere hier schon richtig gesagt haben.

@Tantalit, Humer: Also ich meinte nicht "Kritik der existierenden Demokratie" im Sinne von "das was wir haben, ist gar nicht richtig demokratisch", sondern tatsächlich Kritik an der Demokratie als solcher.

archangelos
03.11.2010, 00:22
Wenn du unter Demokratie die Herrschaft eines Volkes verstehst, dessen mehrheitlicher Wille sich in Wahlen manifestiert, dann gibt es sehr wohl eine große Tradition der Demokratiekritik - dann gibt es die preußische Warnung vor dem beschränkten Untertanenverstande und die grüne vor einer populistischen Falle; dann gibt es die Verankerung von Würde als einer "unveräußerlichen" und die Furcht, daß Volksabstimmungen zur Gängelung von Minderheiten führten. Es gibt Georg-Büchner-Preisträger, die in der ZEIT darüber schreiben dürfen, daß Demokratie zu einer Ausartung des Sozialstaats geführt habe, und Professoren, die betonen, daß sie "kein Gott" sei - und allgemeiner eine populäre Vorstellung von Menschenrechten, nach der diese nicht nur jedem Menschen zustehen sollten, sondern ihm auch quasi naturrechtlich zustünden - ergo selbst per Mehrheitsbescheid nicht entzogen werden dürften.

Bin viell. da nicht so bewandert, wer war der Büchnerpreisträger (Mosebach?) und wer der Professor? Die preußische Warnung dürfte ja schon eine Weile her sein.


Tatsächlich nicht sehr weit verbreitet dürfte allerdings diese eigentümliche Demokratiekritik sein, die "libertäre" und vermutlich auch deine "anarchomonarchistische", die wohl darauf hinauslaufen, daß Demokratie deshalb so böse sei, weil sich eine Mehrheit dafür entscheiden könnte, daß der Staat und vulgo die Steuerzahler für den Bau von Krankenhäusern aufkommen sollten und ergo ja der kommunistische Faschismus eingeführt wird; die blöden Idioten mit dem tollen Pelz der tollen Hautfarbe außerdem in Dekadenz verfallen, statt dem König zu huldigen und ihm weiße Kinderlei zu schenken.

Hab ich glaub ich nicht 100% verstanden, ist jedenfalls nicht meine Position. Mit Rassismus hab ich nichts am Hut, genausowenig wie ich mit dem Bau von Krankenhäusern aus öffentlichen Geldern Probleme habe. Was meinst Du?


[Übrigens ist "kirchentreuer Freigeist" ein Widerspruch in sich, denn "Glaube heißt Gehorsam" (Papst Benedikt), ja Glaube ist "rationaler, aber bedinungsloser Gehorsam" (Robert Spaemann) - und Kirchentreue besteht darin, daß ein Teil der gedanklichen Ergebnisoffenheit wie der individuellen Suche nach Wahrheit zugunsten eben jenes Gehorsams aufgegeben wird. Zwar kann diese Treue bestimmte Widerstandskräfte zur Voraussetzung haben, doch wenn du etwa daran glaubst, daß Dogmen, auf deren Formulierung du keinen Einfluß hast, unter Beihilfe des Heiligen Geistes zustande kommen und sie "unbedingt" und "fest" geglaubt werden müssen, dann bist du per definitionem kein Frei-Geist mehr.]

Na das ist aber eine sophistische Argumentation. Nach Deiner Definition gibt es dann gar keine Freigeister. Ein Freigeist ist für mich jemand, der innerhalb eines gewissen Kontexts - in dem wir alle stehen - anders denkt bzw. Dinge anders verknüpft als das gemeinhin üblich ist.

archangelos
03.11.2010, 00:24
Ich danke wie folgt:

http://www.youtube.com/watch?v=6VL9TFvYyKI&feature=related

Bach. BWV 1004. Chaconne violin solo. Viktoria Mullova. 1

Zum Beweise des guten Geschmackes bist du verpflichtet dieses Lied 20 mal hintereinander anzuhören. Und natürlich aus Gründen der unbedingten Treue zum heiligen Geist ( ich )

Meinst Du mich damit oder den Vorredner? Klar, Viktoria Mullova ist toll, Bach ebenso, aber die Bach-Chaconne ist ein "Stück" und kein "Lied"

archangelos
03.11.2010, 00:26
wo gäbe es keine demokratie kritik?
sie wurde zeitgleich mit der demokratie selbst erfunden.

zitate wie:
"Demokratie ist, wenn zwei Wölfe und ein Schaf über die nächste Mahlzeit abstimmen",
das meist fälschlich Franklin zugesprochen wird, gibt es wie sand am meer.

es gibt natürlich auch ausgewasene texte, unter anderem von

Bachrach, Peter,


Bobbio, Norberto,


Dahl, Robert,

Hondrich, Karl Otto,

Michels, Robert,

Pelinka, Anton,

Rauch, Herbert,
und

Sartori, Giovanni.

zwischen "ich kenne nichts" und "gibt es nicht", besteht noch immer ein unterschied.

übrigens steckt in oben angeführten zitat schon ein denkfehler.
es braucht keine zwei wölfe. einer reicht schon.


ich kenn diese Leute tatsächlich nicht. Ist aber vielleicht nicht nur mir anzulasten, sondern vielleicht auch einer Gesellschaft, die kein Interesse hat, sie bekannter werden zu lassen? Was meine Eingangsfrage bestätigen würde.

archangelos
03.11.2010, 00:29
Dann kennst du dich in diesem Forum aber nicht besonders aus. Ich verachte die Demokratie, eine Menge anderer Leute auch.

Na das ist ja schön!
Klar, wie sollt ich mich auskennen, bin ja grad erst dazugekommen. Aber schon allein die Tatsache, dass ich die Frage überhaupt gestellt habe, zeigt wohl, dass ich davon ausgegangen war, dass man hier zumindest darüber sprechen kann. Was sich i.ü. ja auch bestätigt hat.

sisyphos
03.11.2010, 10:30
@Tantalit, Humer: Also ich meinte nicht "Kritik der existierenden Demokratie" im Sinne von "das was wir haben, ist gar nicht richtig demokratisch", sondern tatsächlich Kritik an der Demokratie als solcher.

Dann solltest du besser von antidemokratischer Kritik sprechen. Demokratiekritik kann von Demokraten ebenso geübt werden - und das ist ja auch der Fall. Demokratiekritik wiederum ist nur ein kleiner Teil der Herrschaftskritik, die ich für die Schaffung einer freien Gesellschaft ( und Bewahrung ) zentral halte. Schlecht ist purer Demokratieidealismus, der Blind für die Schwächen dieser Gewaltordnung ist.

Gryphus
03.11.2010, 10:33
Na das ist ja schön!
Klar, wie sollt ich mich auskennen, bin ja grad erst dazugekommen. Aber schon allein die Tatsache, dass ich die Frage überhaupt gestellt habe, zeigt wohl, dass ich davon ausgegangen war, dass man hier zumindest darüber sprechen kann. Was sich i.ü. ja auch bestätigt hat.

Ist auch kein Problem. Es ist eben so, dass die Antidemokraten nicht im öffentlichen Bewusstsein auftauchen, weil das nicht im Sinne des gegenwärtigen Systems ist, welches sich selbst als geradezu messianisch inszeniert. Entweder das, oder aber das System versucht diese Denkrichtung zu diskreditieren in dem es sie mit diffusen Haufen wie der NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands :rolleyes:) gleichsetzt.

Das heißt aber nicht, dass es uns nicht gibt.

sisyphos
03.11.2010, 10:33
Meinst Du mich damit oder den Vorredner? Klar, Viktoria Mullova ist toll, Bach ebenso, aber die Bach-Chaconne ist ein "Stück" und kein "Lied"

Herr Archangelos, sehen sie... weshalb sollte ein Lied kein Stück sein können bzw. ein Stück kein Lied? Ich schreibe sehr gerne, momentan hauptsächlich Gedichte ... und wenn mir mal wieder etwas schönes und gutes einfiel, dann spreche ich davon als ein Lied, ein Werk, ein Stück. Man sollte mit Worten, insbesondere mit malerisch-schönen Worten, nicht sparsam sein.

Deutschmann
03.11.2010, 10:35
Ich würde eher sagen: warum gibt es keine Systemkritik.

In jedem System - ob Diktatur, Demokratie oder Monarchie - hält sich die Kritik in Grenzen. Schlicht weil sich die Mehrheit mit dem bestehenden System arrangiert. Bis zu einem gewissen Punkt natürlich.

sisyphos
03.11.2010, 10:39
In jedem System - ob Diktatur, Demokratie oder Monarchie - hält sich die Kritik in Grenzen. Schlicht weil sich die Mehrheit mit dem bestehenden System arrangiert. Bis zu einem gewissen Punkt natürlich.

Sonst gäbe es ja auch eine Revolution. Ganz logisch also. Es gibt einen gewissen historisch-kulturgemeinschaftlichen Konsens ... und das ist momentan der bürgerliche Parlamentarismus u. Kapitalismus. Muss aber nicht so bleiben.

Deutschmann
03.11.2010, 10:47
Sonst gäbe es ja auch eine Revolution. Ganz logisch also. Es gibt einen gewissen historisch-kulturgemeinschaftlichen Konsens ... und das ist momentan der bürgerliche Parlamentarismus u. Kapitalismus. Muss aber nicht so bleiben.

Natürlich nicht. Ich meinte ja: jedes System erreicht irgendwann die Schmerzgrenze seiner Bürger. Auch die Demokratie wird es nicht ewig geben.

Gryphus
03.11.2010, 10:50
Ich würde eher sagen: warum gibt es keine Systemkritik.

In jedem System - ob Diktatur, Demokratie oder Monarchie - hält sich die Kritik in Grenzen. Schlicht weil sich die Mehrheit mit dem bestehenden System arrangiert. Bis zu einem gewissen Punkt natürlich.

In diesem Zustand (bis der oben besagte Punkt erreicht ist) ist es wesentlich interessanter, wie die Minderheiten sich verhalten und wie das bestehende System darauf reagiert. Ich denke darauf wollte der Strangersteller auch hinaus.

sisyphos
03.11.2010, 10:53
Natürlich nicht. Ich meinte ja: jedes System erreicht irgendwann die Schmerzgrenze seiner Bürger. Auch die Demokratie wird es nicht ewig geben.

Interessant wäre nun die Frage: Was wenn keine Demokratie? Was hieltest du beispielsweise von einem autokratisch-sozialistisch-klassizistischen System, welches direktdemokratische Elemente integriert? Also aus nicht-demokratischer Sicht wäre eine Neuauflage des 'Marxismus-Leninismus' ja nicht völlig aus dem Blauen gegriffen.

Leila
03.11.2010, 11:01
Wie soll sie nennen? passive Kritik? Ich meine die Kritik der Nichtwähler.

sisyphos
03.11.2010, 11:08
Wie soll sie nennen? passive Kritik? Ich meine die Kritik der Nichtwähler.

Bedarf Kritik denn einer Schublade? Zumeist dient antidemokratische Kritik ja nicht der Kritik 'an sich' ( also der Wahrheitsfindung ), sondern einer eben anderen Ideologie, einer nicht-demokratischen, die aber selbst ihre Schwächen wiederum ausblendet ... und sie in der Regel auch gar nicht zur Debatte stellt. Eben das, was hier, ironischerweise, dem bürgerlichen Parlamentarismus unterstellt wird als 'verwerflich'. Zentral sollte es doch um Herrschaftskritik gehen, denn darüber sprechen wir ja. Hier wird antidemokratische Kritik sogar als 'Demokratiekritik' ( euphemistisch ) getarnt.

Arthas
03.11.2010, 12:07
Der Begriff "Demokratie" ist mittlerweile zu einem der inhaltslosesten Begriffe überhaupt geworden, da er von so ziemlich jeder Staatsregierung für sich beansprucht und entsprechend gedeutet wird. Insbesondere die Vereinnahmung der Demokratie durch die zionistisch-amerikanische Eroberungsideologie ist hier hervorzuheben. In Deutschland ist die sogenannte Demokratie inzwischen untrennbar mit dem BRD-Regime verwoben und daher fester Bestandteil des antideutschen Ideenspektrums. Davon abgesehen ist die Demokratie auch in ihren eigendlichen Wortsinne nicht verwirklichbar. Die Zukunft Deutschlands und des Deutschen Volkes kann also nur in einer antidemokratischen Bewegung liegen. Zu nennen wäre da vor allem die Verdikt-Bewegung (http://www.politikforen.net/group.php?groupid=113).

Und speziell für dieses Forum gibt es auch noch den Verein der Antidemokraten (http://www.politikforen.net/group.php?groupid=46).

Sauerländer
03.11.2010, 12:24
Sonst gäbe es ja auch eine Revolution. Ganz logisch also. Es gibt einen gewissen historisch-kulturgemeinschaftlichen Konsens ... und das ist momentan der bürgerliche Parlamentarismus u. Kapitalismus.
Der allerdings im Wesentlichen nur auf dem Fundament eines Wohlstandsversprechens ruht.

Efna
03.11.2010, 12:27
Ich bin mit der jetzigen Parlamentarismus nicht wirklich zufrieden aber die Demokratie im allgemeinen finde ich gut oder zumindestens das beste was wir bis jetzt gehabt.

Deutschmann
03.11.2010, 12:51
Interessant wäre nun die Frage: Was wenn keine Demokratie? Was hieltest du beispielsweise von einem autokratisch-sozialistisch-klassizistischen System, welches direktdemokratische Elemente integriert? Also aus nicht-demokratischer Sicht wäre eine Neuauflage des 'Marxismus-Leninismus' ja nicht völlig aus dem Blauen gegriffen.

Ich sag mal so: ich werde mich immer für das System einsetzen in dem es mir am besten geht bzw. meine Interessen und die meiner Familie am besten vertritt.

sisyphos
04.11.2010, 16:15
Der allerdings im Wesentlichen nur auf dem Fundament eines Wohlstandsversprechens ruht.

Ja. In einer mammonischen Kultur nicht verwunderlich.

Staber
04.11.2010, 16:59
Warum aber zum Teufel stellt denn niemand die Demokratie in Frage? Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit (sogar Putin und Kim Jong Il verstehen sich als demokratisch legitimierte Herrscher).
Wie konnte sie so schnell so unantastbar werden? Was meint Ihr, was sind die Gründe für diesen spontanen Siegeszug?

Wer will schon eine Diktatur, Monarchie, Oligarchie, Aristrokatie usw.
Die perfekte Staatsform gibt es nirgendwo auf der Welt, aber trotz aller Mängel, die auch der Demokratie anhaften, gibt es bis heute keine Staatsform, die besser geeignet ist, das Zusammenleben der Menschen zu regeln, als die Demokratie.
sie muß einige grundlegende Anforderungen erfüllen, die nicht nur in der Verfassung niedergeschrieben, sondern auch im politischen Alltag von Politikern und Behörden umgesetzt werden müssen:

Garantie der Grundrechte jedes Einzelnen
Gewaltenteilung zwischen den Staatsorganen Regierung [Exekutive], Parlament [Legislative] und Gerichten [Judikative]
Allgemeines und gleiches Wahlrecht
Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit
Vereinsfreiheit, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit
Und da wir aus der Vergangenheit nur Kaiserreich und Diktatur kannten, damit schlechte Erfahrungen gemacht hatten, war es ein Glücksfall das die Demokratie
eingefürt wurde.Fazit. Über sechzig Jahre Ruhe.

staber

Bräunie
04.11.2010, 23:42
Ich denke das hat psychologische Gründe.
So nutzt man das Wort demokratisch ja immer sehr gerne, um dem Volk ein Mitbestimmungsrecht vorzugaukeln.

Richtig, der Begriff der Demokratie wird längst inflationär verwendet. Jede politische Richtung gibt doch heute vor, "demokratisch" zu sein, jede Partei, Organisation, wie auch immer. Der Begriff ist zu einer Art Sakrileg verkommen, nur politische Meinungen, die nach dem öffentlich festgelegten kanon "demokratisch" sind, sind zu akzeptieren und zu fördern. Mit dem gegenteiligen Begriff "undemokratisch" kann man beliebig alle anderen politischen Richtungen disqualifizieren. Für mich eine Phrase wie Frieden und Freiheit. Das gibt auch jede politische Richtung vor, zu vertreten.


Wenn sich dieser Irrglaube erst einmal festgesetzt hat, dann ist es wesentlich leichter, das Stimmvieh zu lenken, da es der Meinung ist, dass seine Belange nicht nur vertreten werden, sondern sie maßgeblich an Entscheidungen beteiligt wurden.

Das Problem ist eben die Differenzierung zwischen den beiden Demokratiemodellen Partizipation und Repräsentation. Wir haben das repräsentative Modell, das heißt, wir wählen Abgeordnete in die Parlamente, da beginnt und endet unsere Einflussnahme dann auch. Der Begriff der Repräsentation ist für mich das Schlüsselwort, warum Demokratie eben hierzulande zur Farce bzw. zur Parteienoligarchie verkommen ist. Alain de Benoist schreibt hierzu in "Demokratie- das Problem": "Die Demokratie hat sich gewandelt. Sie sollte ursprünglich ein Mittel für das Volk sein, sich an dem öffentlichen leben zu beteiligen, indem es Vertreter ernennt. Mittlerweile ist sie ein Mittel für diese Vertreter, durch das Volk die reelle Macht legitimieren zu lassen, sie sie allein besitzen. Das Volk regiert nicht durch gewählte Vertreter. Das Volk wählt Vertreter, die es auf eigene Rechnung regieren. Wer vertritt was? Der eigentliche Begriff Repräsentation steckt in der Krise." Abgesehen davon verwirklichen die Gewählten in der repräsentativen Demokratie selbst wenig. Ihrerseits übertragen sie Aufgaben und Missionen ihren Mitarbeitern, den Beamten, den Experten, Personen also, deren Tätigkeit kaum von der Wahl beeinflusst wird.

Deutschmann
05.11.2010, 00:28
Wer will schon eine Diktatur, Monarchie, Oligarchie, Aristrokatie usw.
Die perfekte Staatsform gibt es nirgendwo auf der Welt, aber trotz aller Mängel, die auch der Demokratie anhaften, gibt es bis heute keine Staatsform, die besser geeignet ist, das Zusammenleben der Menschen zu regeln, als die Demokratie.
sie muß einige grundlegende Anforderungen erfüllen, die nicht nur in der Verfassung niedergeschrieben, sondern auch im politischen Alltag von Politikern und Behörden umgesetzt werden müssen:

Garantie der Grundrechte jedes Einzelnen
Gewaltenteilung zwischen den Staatsorganen Regierung [Exekutive], Parlament [Legislative] und Gerichten [Judikative]
Allgemeines und gleiches Wahlrecht
Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit
Vereinsfreiheit, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit
Und da wir aus der Vergangenheit nur Kaiserreich und Diktatur kannten, damit schlechte Erfahrungen gemacht hatten, war es ein Glücksfall das die Demokratie
eingefürt wurde.Fazit. Über sechzig Jahre Ruhe.

staber

Ich würde das nicht an der Demokratie an sich fest machen. Es gibt Demokratien auf dieser Welt die ständig in irgendwelche Kriege verwickelt waren oder sind. Es war eher das Gleichgewicht der Blöcke.

Freccia
05.11.2010, 01:55
Das ist etwas, was ich mich tatsächlich ehrlich (!) frage. Ganz ohne Hintergedanken (erstmal)...

Sonst wird doch alles und jedes in unserem Land der Kritik unterworfen. Konservative Werte, Autorität, Kommunismus, Kirche und andere nicht-staatstragende Dinge sowieso - aber gerechterweise muss man ja sagen, dass es auch an Staatstragendem, Parteien, Politiker, Rechtssystem etc. durchaus immer wieder Kritik gibt und geben darf. Vielleicht nur von kleineren Gruppen, aber immerhin gibt es die.

Warum aber zum Teufel stellt denn niemand die Demokratie in Frage? Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit (sogar Putin und Kim Jong Il verstehen sich als demokratisch legitimierte Herrscher).

Dabei ist die "Erfolgs"geschichte der Demokratie - verglichen mit jener der Monarchie z.B. - ja noch extrem kurz - in Europa bestenfalls seit 1918, eigentlich erst seit 1945.

Wie konnte sie so schnell so unantastbar werden? Was meint Ihr, was sind die Gründe für diesen spontanen Siegeszug?

Ein Herrscher muss dem Volk ja wohl sagen, dass er dessen Interessen vertritt (wie der Vorsitzende einer Genossenschaft oder eines Vereins). Das wird eben kurz mit dem Unwort "Demokratie" ausgedrückt, mehr ist da nicht.

sisyphos
05.11.2010, 10:55
Ein Herrscher muss dem Volk ja wohl sagen, dass er dessen Interessen vertritt (wie der Vorsitzende einer Genossenschaft oder eines Vereins). Das wird eben kurz mit dem Unwort "Demokratie" ausgedrückt, mehr ist da nicht.

Eine genügende Kritik ist das aber nicht. Parlamentarismus ist auch nicht die einzige Erscheinungsform demokratischer Modelle. Ihre autokratischen Gegenparts haben zudem auch Schwächen. Etwa Machtmissbrauch und eine in der Regel erheblich Einschränkung der Bürgerrechte; die Bürger sollen ja brave Untertanen sein. Dadurch versteht es sich von selbst, dass autoritäre Systeme das freie Denken mitunter stark einschränken ( müssen ). Oder es zwar nicht müssen, aber tun, weil sie die strukturellen Möglichkeiten dazu haben.

Weiter_Himmel
05.11.2010, 12:21
Das ist etwas, was ich mich tatsächlich ehrlich (!) frage. Ganz ohne Hintergedanken (erstmal)...

Sonst wird doch alles und jedes in unserem Land der Kritik unterworfen. Konservative Werte, Autorität, Kommunismus, Kirche und andere nicht-staatstragende Dinge sowieso - aber gerechterweise muss man ja sagen, dass es auch an Staatstragendem, Parteien, Politiker, Rechtssystem etc. durchaus immer wieder Kritik gibt und geben darf. Vielleicht nur von kleineren Gruppen, aber immerhin gibt es die.

Warum aber zum Teufel stellt denn niemand die Demokratie in Frage? Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit (sogar Putin und Kim Jong Il verstehen sich als demokratisch legitimierte Herrscher).

Dabei ist die "Erfolgs"geschichte der Demokratie - verglichen mit jener der Monarchie z.B. - ja noch extrem kurz - in Europa bestenfalls seit 1918, eigentlich erst seit 1945.

Wie konnte sie so schnell so unantastbar werden? Was meint Ihr, was sind die Gründe für diesen spontanen Siegeszug?

Overall geht ging es den Europäern noch nie so gut wie nach den Zweiten Weltkrieg (die unmittelbaren Nachkriegsjahre natürlich außen vor).

D.h. die Demokratien haben sich schon als äußerst nützlich erwiesen um Stabilität,Frieden und Wohlstand zu sichern.Darüberhinaus gehören die Europäischen und Nordamerikanischen Demokratien sowie Japan und Südkorea zu den reichsten Ländern der Welt.

Demokratischen Schwellenländern geht es oftmals (jedoch nicht immer)besser als diktatorischen Schwellenländern.

All das machte die Demokratie jahrelang immun gegen Kritik.Jedoch wurden schon immer Teilbereiche bzw einzelne Aspekte der Demokratie kritisiert.

Z.B. Volksentscheide,das Wahlmännersystem in den USA usw.Aber auch in Europa wird darüber disskutiert was vorteilhafter ist ... föderale Demokratie oder Präsidialer Zentralstaat usw.

Angesichts dessen das sich viele der westlichen Länder auf dem absteigenden Ast befinden ... wird in der Tat zunehmend auch die Demokratie wie sie jetzt ist in Frage gestellt.Z.B. in der Frage ob persönliche Rechte und Freiheit nicht doch zu sehr über dem Allgemeinwohl stehen.

Zu einer Fundamentalkritik kommt es deswegen nicht weil die Demokratien in zu vielen Bereichen einfach immer noch " world Benchmark" sind.Und der wird nunmal nicht fundamental kritisiert ähnlich wie die Spanische Fußballnationalmannschaft nicht fundamental kritisiert wird.

PSI
05.11.2010, 13:39
Das ist etwas, was ich mich tatsächlich ehrlich (!) frage. Ganz ohne Hintergedanken (erstmal)...

Sonst wird doch alles und jedes in unserem Land der Kritik unterworfen. Konservative Werte, Autorität, Kommunismus, Kirche und andere nicht-staatstragende Dinge sowieso - aber gerechterweise muss man ja sagen, dass es auch an Staatstragendem, Parteien, Politiker, Rechtssystem etc. durchaus immer wieder Kritik gibt und geben darf. Vielleicht nur von kleineren Gruppen, aber immerhin gibt es die.

Warum aber zum Teufel stellt denn niemand die Demokratie in Frage? Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit (sogar Putin und Kim Jong Il verstehen sich als demokratisch legitimierte Herrscher).

Dabei ist die "Erfolgs"geschichte der Demokratie - verglichen mit jener der Monarchie z.B. - ja noch extrem kurz - in Europa bestenfalls seit 1918, eigentlich erst seit 1945.

Wie konnte sie so schnell so unantastbar werden? Was meint Ihr, was sind die Gründe für diesen spontanen Siegeszug?

Ich hab mal ne' Frage an dich.. Was zur Hölle ist ein "Anarchomonarchist"?

Das ist ja wohl der totale Widerspruch....

Sauerländer
05.11.2010, 13:44
Ich hab mal ne' Frage an dich.. Was zur Hölle ist ein "Anarchomonarchist"?

Das ist ja wohl der totale Widerspruch....
Nicht zwingenderweise - auch wenn es rein begrifflich gesehen zugestandenermaßen so aussieht.
Ein Anarchomonarchist könnte jemand sein, der a) von einem staatlichen Herrschaftsapparat wenig hält und b) als gemeinsames Bindeglied dieser staatsfreien Gesellschaft ein von wirklicher Herrschaftsgewalt weitgehend freies, aber ideell hochrespektiertes gekröntes Haupt sieht.
Kann man machen.

Weiter_Himmel
05.11.2010, 14:54
Nicht zwingenderweise - auch wenn es rein begrifflich gesehen zugestandenermaßen so aussieht.
Ein Anarchomonarchist könnte jemand sein, der a) von einem staatlichen Herrschaftsapparat wenig hält und b) als gemeinsames Bindeglied dieser staatsfreien Gesellschaft ein von wirklicher Herrschaftsgewalt weitgehend freies, aber ideell hochrespektiertes gekröntes Haupt sieht.
Kann man machen.

Sehr gut! Vor allem da viele indigene Stämme die Anarchisten oftmals (meiner Ansicht nach fälschlicherweise) als Beispiel für Besitzlosigkeit und Herrschaftlosigkeit anführen so aufgebaut sind.

-jmw-
05.11.2010, 15:01
"My political beliefs lean more and more to Anarchy (philosophically understood, meaning abolition of control not whiskered men with bombs) – or to 'unconstitutional' Monarchy."

-- JRR. Tolkien

Ruepel
05.11.2010, 15:18
Das ist etwas, was ich mich tatsächlich ehrlich (!) frage. Ganz ohne Hintergedanken (erstmal)...

Sonst wird doch alles und jedes in unserem Land der Kritik unterworfen. Konservative Werte, Autorität, Kommunismus, Kirche und andere nicht-staatstragende Dinge sowieso - aber gerechterweise muss man ja sagen, dass es auch an Staatstragendem, Parteien, Politiker, Rechtssystem etc. durchaus immer wieder Kritik gibt und geben darf. Vielleicht nur von kleineren Gruppen, aber immerhin gibt es die.

Warum aber zum Teufel stellt denn niemand die Demokratie in Frage? Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit (sogar Putin und Kim Jong Il verstehen sich als demokratisch legitimierte Herrscher).

Dabei ist die "Erfolgs"geschichte der Demokratie - verglichen mit jener der Monarchie z.B. - ja noch extrem kurz - in Europa bestenfalls seit 1918, eigentlich erst seit 1945.

Wie konnte sie so schnell so unantastbar werden? Was meint Ihr, was sind die Gründe für diesen spontanen Siegeszug?

Weil es keine Demokratie gibt,zumindest nicht im angeblich freieesten Staat
auf deutschem Boden,seit gedenken.

Abgesehen davon,bin ich selbstverständlich auch kein Demokrat,
bin halt ein ehrlicher Mensch.

Staber
05.11.2010, 16:05
Ich würde das nicht an der Demokratie an sich fest machen. Es gibt Demokratien auf dieser Welt die ständig in irgendwelche Kriege verwickelt waren oder sind. Es war eher das Gleichgewicht der Blöcke.


Ich habe ja in dem Beitrag geschrieben, das sie nicht die perfekte Staatsform ist.
Würde dir in Punkto < Blöcke > aber recht geben.

http://www.smileygarden.de/smilie/Sonstige/link.sml.gif (http://www.smileygarden.de)
http://news.feed-reader.net/28703-demokratie-kritik.html#4855736

staber

-jmw-
05.11.2010, 16:05
Je freier der Staat, desto weniger Demokratie - ist doch klar!

Die BR weist beides nur mittelprächtig auf.

PSI
06.11.2010, 12:26
Nicht zwingenderweise - auch wenn es rein begrifflich gesehen zugestandenermaßen so aussieht.
Ein Anarchomonarchist könnte jemand sein, der a) von einem staatlichen Herrschaftsapparat wenig hält und b) als gemeinsames Bindeglied dieser staatsfreien Gesellschaft ein von wirklicher Herrschaftsgewalt weitgehend freies, aber ideell hochrespektiertes gekröntes Haupt sieht.
Kann man machen.

Sehr gut! Vor allem da viele indigene Stämme die Anarchisten oftmals (meiner Ansicht nach fälschlicherweise) als Beispiel für Besitzlosigkeit und Herrschaftlosigkeit anführen so aufgebaut sind.

Jo, aber der Anarchismus an sich bedeutet ja "Herrschaftslosigkeit".
Er verneint zwar nicht natürliche Autorität, aber das man als Anarchist jemanden krönt, also auf eine höhere Stufe stellt, halte ich für etwas widersprüchlich.

Die Indianer hatten bzw. haben zwar Häuptlinge, die aber auf diese oder jene Weise gewählt werden, und vom Stamm auch wieder entfernt werden können.
"Gekrönt" werden sie so eigendlich nicht und Erbherrschaft gibt/gab es auch kaum.

PSI
06.11.2010, 12:27
"My political beliefs lean more and more to Anarchy (philosophically understood, meaning abolition of control not whiskered men with bombs) – or to 'unconstitutional' Monarchy."

-- JRR. Tolkien

Ja eben "ODER" und nicht "und".

Daraus ne' politische Theorie zu machen ist als würdest du plötzlich Kapitalismus-Kommunist sein...:)

Weiter_Himmel
06.11.2010, 13:40
Jo, aber der Anarchismus an sich bedeutet ja "Herrschaftslosigkeit".
Er verneint zwar nicht natürliche Autorität, aber das man als Anarchist jemanden krönt, also auf eine höhere Stufe stellt, halte ich für etwas widersprüchlich.

Die Indianer hatten bzw. haben zwar Häuptlinge, die aber auf diese oder jene Weise gewählt werden, und vom Stamm auch wieder entfernt werden können.
"Gekrönt" werden sie so eigendlich nicht und Erbherrschaft gibt/gab es auch kaum.

Ist es aber nicht , bzw war bei vielen Indianerstämmen genauso.Wenngleich "krönt" velleicht das falsch Wort ist.Diese Scharten sich ( je nach Stamm) auf Basis der Freiwilligkeit sich um recht mächtige Personen meist (mächtige Familien).Diese hatten dann eine hohe Autoriät und viel Besitz.Ihnen Stand meist ein Patriaarch oder manchmal sogar Matricarchin vor.

Und natürlich konnte man den dortigen Patriarch nicht einfach abwählen.Natürlich kam es dazu das diese Gruppe aufgrund von Spannungen auseinanderbrach aber mit einer "friedlichen entfernung" hatte das nichts zu tun.

Generell waren viele Indianerstämme oftmals miteinander verfeindet und unternahmen Raubzüge... was wiederum eine Gewisse militärische Disziplin benötigte und was natürlich zu Autoriät führte.Daher würde ich darin auch nicht viel von Anarchie sehen.Ehr herrschte bei manchen Stämmen eine Art "Kommunismus" in deren die erwirtschafteten bzw geraubten Güter äußerst gleichmäßig verteilt wurden.Wenngleich du davon asugehen kannst das auch hier die die den Erfolg organisiert haben priviligiert waren-

Am ehsten herrschte velleicht bei den San so etwas wie Anarchie vor.

http://www.wikinfo.org/index.php/Anarcho-monarchism#Anarcho-Monarchism_in_History

Hier versucht man eine Art Definition von Anarchie-Monarchismus aufzustellen.Histrisch wird wohl auf Gruppen in Russland eingegangen die an sich Anarchistisch waren... den Zarentitel als Bindeglied jedoch behalten wollten.
Ebendso wird das mittelalterlich Island als Beispiel genannt.

Natürlich bewegt sich das auf recht dünnen Eis ... da sich die Politikwissenschaft mit solchen seltsamen Kontrukten nur sehr bedingt auseinandersetzt aber Ansätze dafür gibt es nun mal.

Auch das Idealbild von diversen religiösen Strukturen wird mit Anarchie-Monarchie/Oligarchie in verbindung gebracht.Nämlich wenn es das Ziel ist das alle Gläubigen möglichst gleich und friedlich miteinander leben während eine religiöse Menschliche Instanz beibehalten wird.

Das kann man natürlich nur machen wenn man sich gedanklich darauf einlässt die Religion als gegeben wahr und "natürlich" zu verstehen und nicht als Herrschaftsinstrument.

-jmw-
06.11.2010, 17:21
Die Indianer hatten bzw. haben zwar Häuptlinge, die aber auf diese oder jene Weise gewählt werden, und vom Stamm auch wieder entfernt werden können.
"Gekrönt" werden sie so eigendlich nicht und Erbherrschaft gibt/gab es auch kaum.
Einspruch!
Und zwar erheblich!
"Die Indianer" sind und waren kein monolithischer Block und zu sagen, irgendwas sei so und so gewesen, ist in 99,9 Prozent aller Fälle wohl eibnfach nicht richtig.

So auch hier.
Es gab durchaus auch monarchische und/oder aristokratische Indianervölker(!) - auch wenn mir spontan kein Name einfällt dazu.

-jmw-
06.11.2010, 17:27
Ja eben "ODER" und nicht "und".

Daraus ne' politische Theorie zu machen ist als würdest du plötzlich Kapitalismus-Kommunist sein...:)
Dass Tolkien die beiden Ideen derart nebeneinander denkt, zeigt aber doch, dass er irgendwelche Verbindungen, Gemeinsamkeiten, Schnittmengen sah oder fühlte, nicht?
In seinem Falle war es wohl die Ablehnung der Idee des modernen Staates:


"I would arrest anybody who uses the word State (in any sense other than the inanimate realm of England and its inhabitants, a thing that has neither power, rights nor mind); and after a chance of recantation, execute them if they remain obstinate!..."

Sympathisch auch:

"The most improper job of any man, even saints, is bossing other men. Not one in a million is fit for it, and least of all those who seek the opportunity."

Vgl. Alan Moore sehr schön:


"I think that even a cursory look around the world at the moment – particularly at the moment – would reveal that it is about .000001 percent of the world’s population that causes 99.99999 percent of the world’s problems. And that tiny percentage – it’s not the Jewish banking conspiracy, it’s not the asylum-seekers, it’s not the secret homosexual conspiracy running Hollywood, it’s not even the Scientologists: it is leaders. That what we need is an administration at most; we don’t need people to boss us about."

-jmw-
06.11.2010, 17:31
Am ehsten herrschte velleicht bei den San so etwas wie Anarchie vor.
Weitere Beispiele vgl. u.a. Harold Barclay: Völker ohne Regierung. Eine Anthropologie der Anarchie, Berlin 1985.

Randbemerkung:


Ebendso wird das mittelalterlich Island als Beispiel genannt.
Was merkwürdig ist, wegen weil da gab es garkeinen König.

(Zu Island m.E. sehr gut Birgir T. Solvason: Ordered Anarchy, the State, and Rent-Seeking: The Icelandic Commonwealth, 930-1264, Diss. Fairfax 1991.)

Freikorps
06.11.2010, 17:49
Weil es nicht Mainstream ist und daher als No Go betrachtet wird, an den heiligen Hallen zu kratzen!

Weiter_Himmel
06.11.2010, 18:34
Weitere Beispiele vgl. u.a. Harold Barclay: Völker ohne Regierung. Eine Anthropologie der Anarchie, Berlin 1985.

Randbemerkung:


Was merkwürdig ist, wegen weil da gab es garkeinen König.

(Zu Island m.E. sehr gut Birgir T. Solvason: Ordered Anarchy, the State, and Rent-Seeking: The Icelandic Commonwealth, 930-1264, Diss. Fairfax 1991.)

Monarchie muss wohl hier nicht Zwangsläufig Aristokratie in Sinne von Adel bedeuten sondern kann auch eine anderweitig allein an der Spitze stehende Person meinen.Das bringt zugegebenermaßen die Frage mit sich wie man die Person vomDiktator abgrenzt.

Das ist schwierig.Als Minimalkonsens könnte man velleicht nehmen das der Monarch durch etwas anderes legitimiert ist.

-jmw-
06.11.2010, 19:21
In Island gab es zu dieser Zeit, das ist das besondere daran, keine Regierung im eigentlichen Sinne.
Es gab nur einen Thingsprecher, der die Gesetze im Kopf behalten musste;
und es gab diverse Häuptlinge, an die man sich zwecks Rechtsschutz wenden musste/konnte.
König, Polizei, Armee - Fehlanzeige!


In einer Anarchie übrigens geht das ganz einfach mit dem Königtum:
Irgendwer ernennt sich zum König oder wird von anderen zum König ernannt.
Und irgendwelche Leute folgen ihm dann oder auch nicht oder nur teilweise.

PSI
08.11.2010, 14:32
In Island gab es zu dieser Zeit, das ist das besondere daran, keine Regierung im eigentlichen Sinne.
Es gab nur einen Thingsprecher, der die Gesetze im Kopf behalten musste;
und es gab diverse Häuptlinge, an die man sich zwecks Rechtsschutz wenden musste/konnte.
König, Polizei, Armee - Fehlanzeige!


In einer Anarchie übrigens geht das ganz einfach mit dem Königtum:
Irgendwer ernennt sich zum König oder wird von anderen zum König ernannt.
Und irgendwelche Leute folgen ihm dann oder auch nicht oder nur teilweise.

Reden wir von Anarchie oder Anarchismus???

sisyphos
08.11.2010, 15:48
Reden wir von Anarchie oder Anarchismus???

Ich glaube jmw besitzt die nötige Intelligenz, um dies zu differenzieren. Darf ich aber darauf hinweisen, dass G. Landauer unter Anarchie: eine Gesellschaft in einer Gesellschaft in einer Gesellschaft verstand ( usw. usf. )? Daher: kein Widerspruch; solange keine herrschaftliche Unterdrückungsgewalt entsteht. Wenn nun eine 'monarchistische Kommune' beschließt einen König zu haben, dann ist es fraglich ob dies noch Unterdrückung ist; wäre es nicht viel unterdrückender, wenn man es ihnen verbieten würde? Wohlgemerkt: Solange es eben ein anarchistisches Königtum wäre, es eben freiwillig geschieht und die Menschen es auch wieder abschaffen könnten.

PSI
08.11.2010, 16:12
Ich glaube jmw besitzt die nötige Intelligenz, um dies zu differenzieren. Darf ich aber darauf hinweisen, dass G. Landauer unter Anarchie: eine Gesellschaft in einer Gesellschaft in einer Gesellschaft verstand ( usw. usf. )? Daher: kein Widerspruch; solange keine herrschaftliche Unterdrückungsgewalt entsteht. Wenn nun eine 'monarchistische Kommune' beschließt einen König zu haben, dann ist es fraglich ob dies noch Unterdrückung ist; wäre es nicht viel unterdrückender, wenn man es ihnen verbieten würde? Wohlgemerkt: Solange es eben ein anarchistisches Königtum wäre, es eben freiwillig geschieht und die Menschen es auch wieder abschaffen könnten.

Schon klar.
Dabei muss aber auch die Möglichkeit nicht vergessen werden, den König loszuwerden, wenn er der Kommune stinkt...

-jmw-
08.11.2010, 16:27
Reden wir von Anarchie oder Anarchismus???
Ich rede von beidem: sowohl der Praxis als auch der Theorie.
Gehört ja beides zusammen und ist sinnlos ohne einander.

PSI
08.11.2010, 16:40
Ich rede von beidem: sowohl der Praxis als auch der Theorie.
Gehört ja beides zusammen und ist sinnlos ohne einander.

Vorsicht, ist nicht das selbe...

-jmw-
08.11.2010, 16:43
Ich glaube jmw besitzt die nötige Intelligenz
Gleich werd ich rot.... :D


dass G. Landauer unter Anarchie: [I]eine Gesellschaft in einer Gesellschaft in einer Gesellschaft verstand
Vgl. auch Benjamin Tucker sehr schön mit der Aussage, "Anarchie" meine, dass all the affairs of men shoud be managed by indivduals or voluntary associations, and . . . the state should be abolished.
Warum sollte man das?
Weil each and every individual has the unquestionable and unabridgeable right of free and voluntary association with other equally sovereign individuals for economic, political, social and all other purposes (Emma Goldman).
Der Anarchismus also admits of any kind of organization, so long as membership is not compulsory (Joseph A. Labadie).
Dabei gilt freilich, dass anarchism does not exclude prisons, officials, military, or other symbols of force. It merely demands that non-invasive men shall not be made the victims of such force. Anarchism is not the reign of love, but the reign of justice. It does not signify the abolition of force-symbols but the application of force to real invaders (B. Tucker).
Den Staat schliesst das aus, denn protection and taxation without consent is itself invasion; anarchism favors a system of voluntary taxation and protection (Victor Yarros).
Es gilt also die Parole
Voluntary Associationism,
Voluntary Cooperation and
Voluntary Resistance and Defence against those who would not permit these.
(John Zube)

:]

sisyphos
08.11.2010, 18:43
Vorsicht, ist nicht das selbe...

Aber auch nicht nicht das Gleiche. Anarchismus ist die politische Theorie der Anarchie, verwissenschaftlicht. Steckt nicht ohne Grund bereits im Wort.

sisyphos
08.11.2010, 18:49
Schon klar.
Dabei muss aber auch die Möglichkeit nicht vergessen werden, den König loszuwerden, wenn er der Kommune stinkt...

Ich frage mich eher ... ob ein anarchistisches Königtum mehr wäre als ein lustiges Schauspiel? ;) :D Die Figur des Königs zeichnet im grunde ja aus, dass sie über den Zweifel derer die zweifeln müssen ( Untertanen - weil abhängig ) ... erhaben ist.