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Vollständige Version anzeigen : Beste Oper von Wagner



cajadeahorros
26.10.2010, 15:24
Eigentlich wollte ich ja die Umfragenflut durch "Eure Lieblingsbrühwurst" oder ähnliches ergänzen aber fangen wir halt ernsthaft an.

Natürlich ist das heilige Werk des Meisters unteilbar, es steht über aller Kritik etc. etc. aber vielleicht mögt ihr ja doch das ein oder andere Werk etwas lieber als die anderen.

P.S. Heimatland, jetzt habe ich mich auch noch bei der Umfragenüberschrift verschrieben...

PSI
26.10.2010, 15:56
Ich steh nicht so besonders auf Opern und gerade Wagner liegt mir garnicht so (nee, hat nix mit Adoof zu tun, ist einfach nur nicht so mein Ding), aber wenn schon dann...

R - Die Walküre

Brutus
26.10.2010, 16:06
Mensch, Caja, das ist ja mal 'ne tolle Umfrage! Könnte man ergänzen um, *welches ist die beste Sinfonie, das beste Streichquartett von Haydn, Mozart, Beethoven*?

Nachdem ich lange Jahre ein großer Bewunderer Wagners gewesen bin, ist immer mehr die Skepsis eingezogen und ein Werk nach dem anderen kam mir fragwürdig vor.

Geblieben in meiner Wertschätzung sind vor allem Parsifal und Meistersinger.

Sauerländer
26.10.2010, 16:15
Ich schwanke ein wenig zwischen dem Tannhäuser und der Götterdämmerung.

marc
26.10.2010, 16:16
Meistersinger:
Wundervolle, vergleichsweise klein besetzte und komische Oper über die Kunst und wider das krampfhafte Klammern an überholte Regeln ("Wie fang ich nach der Regel an?" "Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann."); dazu mit relativ versöhnlichem Schluß: "Und zerging auch in Dunst das Heil'ge Röm'sche Reich, uns bliebe gleich die heil'ge deutsche Kunst." Einwände ("Das Werk eines Humors, dem nicht zu trauen ist", Carl Dalhaus) finde ich nicht allzu überzeugend. Prügelszene ist meines Erachtens eher mit dem Humor eines Bud-Spencer-Films zu vergleichen. Immerhin glaubt David ja, daß Beckmesser seine Magdalena anhimmelt und der Straßenpöbel weiß gar nicht, um was es überhaupt geht. ("'s sind die Schuster! Nein, die Schneider, die Trunkenbolde, Hungerleider!") Musikalisch jedenfalls großartig. (Auch und insbesondere diese Stelle.)

Tristan:
Vier Stunden Schmerz und Ekstase, "Handlung" im eigentliche Sinne kaum vorhanden. Nietzsche:

Alles erwogen, hätte ich meine Jugend nicht ausgehalten ohne Wagnersche Musik. Denn ich war verurteilt zu Deutschen. Wenn man von einem unerträglichen Druck loskommen will, so hat man Haschisch nötig. Wohlan, ich hatte Wagner nötig. Wagner ist das Gegengift gegen alles Deutsche par excellence – Gift, ich bestreite es nicht... Von dem Augenblick an, wo es einen Klavierauszug des Tristan gab – mein Kompliment, Herr von Bülow! –, war ich Wagnerianer. Die älteren Werke Wagners sah ich unter mir – noch zu gemein, zu »deutsch«... Aber ich suche heute noch nach einem Werke von gleich gefährlicher Faszination, von einer gleich schauerlichen und süßen Unendlichkeit, wie der Tristan ist – ich suche in allen Künsten vergebens. Alle Fremdheiten Leonardo da Vincis entzaubern sich beim ersten Tone des Tristan. Dies Werk ist durchaus das non plus ultra Wagners; er erholte sich von ihm mit den Meistersingern und dem Ring. Gesünder werden – das ist ein Rückschritt bei einer Natur wie Wagner...
(...)
Ich denke, ich kenne besser als irgend jemand das Ungeheure, das Wagner vermag, die fünfzig Welten fremder Entzückungen, zu denen niemand außer ihm Flügel hatte; und so wie ich bin, stark genug, um mir auch das Fragwürdigste und Gefährlichste noch zum Vorteil zu wenden und damit stärker zu werden, nenne ich Wagner den großen Wohltäter meines Lebens. Das, worin wir verwandt sind, daß wir tiefer gelitten haben, auch aneinander, als Menschen dieses Jahrhunderts zu leiden vermöchten, wird unsre Namen ewig wieder zusammenbringen; und so gewiß Wagner unter Deutschen bloß ein Mißverständnis ist, so gewiß bin ich's und werde es immer sein. – Zwei Jahrhunderte psychologische und artistische Disziplin zuerst, meine Herrn Germanen!... Aber das holt man nicht nach. –
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Nietzsche,+Friedrich/Ecce+Homo/Warum+ich+so+klug+bin

Parsifal:
Das "Bühnenweihfestspiel" von "Oberkirchenrath Wagner". Musikalisch das vielleicht großartigste, was Wagner überhaupt je komponiert hat. Inhaltlich allerdings fragwürdig - diese Mischung aus schopenhauerisch-buddhaistischer und pseudo-christlicher (Blut und Fleisch wird in Brot und Wein verwandelt) Weltabsage incl. der gewissen Portion Frauenfeindlichkeit, die es mit sich bringt, wenn man der Sexualität entsagen will. Die Schlüsselszene des Werkes, in der sich Parsifal den Verführungsversuchen von Kundry widersetzt und Amfortas, die Wuuuunde! ausruft, ist schon beinahe peinlich. Und es wird nicht besser dadurch, daß die dadurch "erlöste" Kundry nur noch "Dienen! Dienen!" stammeln kann und am Ende sterben darf. Musik, wie gesagt, genial.

Allgemein:
Einige Kritikpunkte Wagners kann ich nachvollziehen, so zum Beispiel, daß die Musik nur ein Mittel des Ausdrucks im Dienste des Dramas seien sollte, aber nicht Zweck an sich wie im Belcanto. Nur geht er mit diesem permanent rezitatorischen Deklamationsstil dann manchmal ein bißchen zu weit, wie ich finde. So etwas wie Duette zum Beispiel gibt es ja fast gar nicht bei ihm und ich muss gestehen, daß ich dann auch oft Konzentrationsschwierigkeiten habe. (Auch bei den von mir genannten Werken.) Politisch natürlich sowieso fragwürdig und hin- und herschwankend; die antike Sklavenhaltung als Ursache dafür, daß das Gesamtkunstwerk in "egoistische" Einzelkünste aufgesplittert sei; das Blut Christi als Mittel, um die "Rassengegensätze" zu versöhnen; Volk als "Nothgemeinschaft" etc. Dann dieser launische Antisemitismus, der jedesmal fast schon in einen Philosemitismus umgebrochen ist, sobald er sich mit einem Juden befreundet hat.
Hm.
Fragwürdig auch seine Vorliebe für den "Mythos". Hat er ihn, seine Kunst oder sein Publikum überschätzt? Martin Gregor-Dellin: "Der Mythos zeigt, wie alles zerfällt und zuschanden wird und daß es das nächstemal anders kommt: nur merken die Zuschauer es nicht. Die Oberklasse des Reichs sah das einzige sozialistische Kunstwerk in Deutschland vor Anbruch des Naturalismus [gemeint ist der Ring, Marc] - und war entzückt..."

Edit:
Eigentlich müsste ich auch noch was vom Ring aufnehmen; was es da für großartige Szenen, Stellen gibt! Aber wirkliche Lieblingsopern von ihm sind halt letztlich Tristan, Meistersinger und Parsifal.

Brutus
26.10.2010, 16:26
Einige Kritikpunkte Wagners kann ich nachvollziehen, so zum Beispiel, daß die Musik nur ein Mittel des Ausdrucks im Dienste des Dramas seien sollte, aber nicht Zweck an sich wie im Belcanto. Nur geht er mit diesem permanent rezitatorischen Deklamationsstil dann manchmal ein bißchen zu weit, wie ich finde. So etwas wie Duette zum Beispiel gibt es ja fast gar nicht bei ihm und ich muss gestehen, daß ich dann auch oft Konzentrationsschwierigkeiten habe.

Eine der boshaftesten, weil treffendsten Bemerkungen über Wagner stammt von Rossini, der sagte, nachdem er in Paris den Tannhäuser gehört hatte, *man sollte die Tenorpartie besser durch eine Trompete ersetzen*, weil der Sänger laufend Gefahr läuft, vom 100-Mann-Orchester erschlagen zu werden.

Oder Verdi, fast noch besser und genauer: *Wagner ist ein hochbegabter Mann, der sich auf krummen Wegen gefällt, weil er die geraden nicht finden kann.*

Wäre eine Regie-Idee für Hans Neuenfels, statt Tannhäuser einen Trompeter auf die Bühne zu stellen und das Ganze irgendwie als Blow-Job darzustellen.

marc
26.10.2010, 16:40
Oder Verdi, fast noch besser und genauer: *Wagner ist ein hochbegabter Mann, der sich auf krummen Wegen gefällt, weil er die geraden nicht finden kann.*.

Manchmal denke ich auch, daß der -so alles in allem- beste Opernkomponist eigentlich Verdi war, weil er es am besten verstand, gute bis sehr gute Libretti unterschiedlichster Coleur (Macbeth, Falstaff, Traviata, Rigoletto) mit "schöner" aber niemals seichter, billiger oder lediglich einseitiger Musik zu kombinieren - er außerdem ebenfalls auf die "unendliche Melodie", teils auch auf die Motivtechnik zurückgreift; was mir wesentlich mehr zusagt als die Unterbrechung des musikalischen Flußes durch gesprochene Texte wie im "Singspiel" oder diese ätzenden Rezitative.

Brutus
26.10.2010, 17:40
Manchmal denke ich auch, daß der -so alles in allem- beste Opernkomponist eigentlich Verdi war, weil er es am besten verstand, gute bis sehr gute Libretti unterschiedlichster Coleur (Macbeth, Falstaff, Traviata, Rigoletto) mit "schöner" aber niemals seichter, billiger oder lediglich einseitiger Musik zu kombinieren - er außerdem ebenfalls auf die "unendliche Melodie", teils auch auf die Motivtechnik zurückgreift; was mir wesentlich mehr zusagt als die Unterbrechung des musikalischen Flußes durch gesprochene Texte wie im "Singspiel" oder diese ätzenden Rezitative.

Aber ein italienisches Rezitativ aus einer von Mozarts Da-Ponte-Opern hat schon auch was für sich. Die Sprache klingt einfach toll. Es schadet aber nichts, wenn man den Text ein wenig versteht, zumindest die Schlüsselwörter erkennt.

Ich habe auch den Eindruck, daß die Mozart-Rezitative besser klingen, wenn sie von Hammerklavier statt Cembalo begleitet werden und ganz besonders gut wirkt ein Cello, das die Baßlinie verstärkt. Ob das Cello mit der historischen Aufführungspraxis vereinbar ist, weiß ich leider nicht, beim Hammerklavier statt des zirpenden Cembalos bin ich mir (fast) sicher.

Gehen wir davon aus, daß sich Mozart bei seinen Rezitativen etwas gedacht hat und sie nicht einfach auf's Papier fetzte oder von seinem Schüler schreiben ließ wie bei Titus, dürfen wir annehmen, daß bei adäquater Ausführung auch die Rezitative sehr viel besser wirken als gewohnt.

Don
26.10.2010, 18:36
Eigentlich wollte ich ja die Umfragenflut durch "Eure Lieblingsbrühwurst" oder ähnliches ergänzen aber fangen wir halt ernsthaft an.

Natürlich ist das heilige Werk des Meisters unteilbar, es steht über aller Kritik etc. etc. aber vielleicht mögt ihr ja doch das ein oder andere Werk etwas lieber als die anderen.

P.S. Heimatland, jetzt habe ich mich auch noch bei der Umfragenüberschrift verschrieben...

Thannhäuser, Ouvertüre. Genial.

Der Rest ist furchtbar.

marc
26.10.2010, 18:39
Aber ein italienisches Rezitativ aus einer von Mozarts Da-Ponte-Opern hat schon auch was für sich. Die Sprache klingt einfach toll. Es schadet aber nichts, wenn man den Text ein wenig versteht, zumindest die Schlüsselwörter erkennt.

Ich habe auch den Eindruck, daß die Mozart-Rezitative besser klingen, wenn sie von Hammerklavier statt Cembalo begleitet werden und ganz besonders gut wirkt ein Cello, das die Baßlinie verstärkt. Ob das Cello mit der historischen Aufführungspraxis vereinbar ist, weiß ich leider nicht, beim Hammerklavier statt des zirpenden Cembalos bin ich mir (fast) sicher.

Gehen wir davon aus, daß sich Mozart bei seinen Rezitativen etwas gedacht hat und sie nicht einfach auf's Papier fetzte oder von seinem Schüler schreiben ließ wie bei Titus, dürfen wir annehmen, daß bei adäquater Ausführung auch die Rezitative sehr viel besser wirken als gewohnt.

Bezogen auf Mozart und die Da-Ponte-Opern würde ich dir sogar recht geben (mal abgesehen davon, daß es immer hilfreich ist, Opern mal komplett mit Libretti zu verfolgen, anstatt nur von einer Szene zur nächsten zu "zappen") - nur sind das, zumindest für meinen persönlichen Geschmack, die seltenen Ausnahmen.
In der Regel empfinde ich dies eben eher als Unterbrechung des musikalischen Flußes, wobei die Rezitative natürlich noch eher eine Verbindung schaffen (können), als gesprochene Texte wie in der Zauberflöte. Obgleich ich mir letztens die Zauberflöte von Rene Jacobs gekauft habe und da sagen muss, daß auch diese tatsächlich sehrsehr gut gemacht waren.

Frage am Rande: Hast du eigentlich soetwas wie den einen Lieblingskomponisten?

Don
26.10.2010, 18:40
Ich habe auch den Eindruck, daß die Mozart-Rezitative besser klingen, wenn sie von Hammerklavier statt Cembalo begleitet werden

Liegt wohl einfach daran daß Cembalos, seinen wir ehrlich, sich absolut scheiße anhören. Es ist einfach das Töfftöff der Tasteninstrumente.
Wären sie klasse, würden sie ja wohl noch gebaut und verwendet.

Brutus
26.10.2010, 18:47
Obgleich ich mir letztens die Zauberflöte von Rene Jacobs gekauft habe und da sagen muss, daß auch diese tatsächlich sehrsehr gut gemacht waren.

Gedankenübertragung. Wollte vorhin bei den Mozart-Rezitativen Rene Jacobs und Le Nozze di Figaro erwähnen.



Frage am Rande: Hast du eigentlich soetwas wie den einen Lieblingskomponisten?

Ja, aber den verrrat ich nicht. :D

Außerdem wechselt das, und ist von Gattung zu Gattung verschieden, manchmal sogar von Instrument zu Instrument.

Teilweise gibt es Komponisten, bei denen ich vieles furchtbar finde, aber anderes wieder in meinen Augen, eher Ohren, zum Besten gehört, was je geschrieben wurde. Richard Strauss ist so ein Fall. Nicht ganz so extrem, in beiden Richtungen, meine Einstellung zu Brahms.

D-Moll
26.10.2010, 21:15
Seine Chöre sind unüberrtrefflch gut.

cajadeahorros
27.10.2010, 09:29
Bei den Meistersingern muß ich ganz offen zugeben daß mir der 3. Akt nicht gefällt (das ist jetzt auch wieder nicht richtig, denn eigentlich reihen sich ja überaus gelungene Szenen aneinander, vielleicht zu viele, vielleicht ist er einfach wirkich zu lang). Tristan habe ich nicht angekreuzt weil ich gerade keine Lust dazu hatte, schon wieder den Tristan anzukreuzen. Am Parsifal arbeite ich gerade, den habe ich jahrelang ignoriert (hier kann ich mich direkt bei Herrn Peter Konwitschny und seinem Münchner Parsifaldreck bedanken). Holländer wird (leider?) sowieso immer etwas stiefmütterlich behandelt (auch hier versuche ich mich, momentan mit der Kupfer-Bayreuth-DVD, eines besseren belehren zu lassen). Lohengrin nervt mich ehrlich gesagt, bis auf den 2. Akt und den Schluß.

Entsprechend verbleiben Ring, vor allem die ersten zwei Teile, und Tannhäuser (den ich gerne auch einmal inszenieren würde, der Schluß ist schon fertig konzipiert, die Hauptrolle spielen ein Baum und der Papst :cool2: ).

D-Moll
01.11.2010, 17:34
http://www.youtube.com/watch?v=coLxM2hq_gA&feature=related
Einfach überwältigend der Pilgerchor von R. Wagner.