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Vollständige Version anzeigen : Polen: Regierung weist „Erpressung“ durch Kirche zurück



Candymaker
19.10.2010, 15:24
Der Regierungssprecher Polens hat mit scharfen Worten ein Statement der Bischöfe zurückgewiesen. Man werde sich in Sachen künstliche Befruchtung keiner „Erpressung“ und keinen „Drohungen“ beugen, meinte der Sprecher Pawel Gras am Dienstag zu Journalisten.

Die Bischöfe hatten am Montag in einem Brief an den Präsidenten, die Regierung und das Parlament gegen sechs Gesetzesvorhaben zur Künstlichen Befruchtung opponiert, (...)

In dem Schreiben nennen sie die so genannte „In-vitro-Fertilisation“ „die kleine Schwester der Eugenik“

„Die Kirche darf ihre Meinung äußern, aber ich hätte nie gedacht, dass sie das so drastisch tun würde“, meinte Gras.

http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=432005

Sauerländer
19.10.2010, 16:23
Der Regierungssprecher Polens hat mit scharfen Worten ein Statement der Bischöfe zurückgewiesen. Man werde sich in Sachen künstliche Befruchtung keiner „Erpressung“ und keinen „Drohungen“ beugen, meinte der Sprecher Pawel Gras am Dienstag zu Journalisten.

Die Bischöfe hatten am Montag in einem Brief an den Präsidenten, die Regierung und das Parlament gegen sechs Gesetzesvorhaben zur Künstlichen Befruchtung opponiert, (...)
Nun habe ich natürlich keine Ahnng vom Wortlaut dieses Briefes, aber ausgehend von dem, was ich hier lesen kann: Wo ist denn da "Drohung" oder "Erpressung" ?
Man hat eine Statement abgegeben, in dem man in deutlichen Worten zum Ausdruck gebracht hat, was man von künstlicher Befruchtung hält, und dafür eintrat, dass dies unterbunden werden solle. Inwiefern ist das eine Drohung oder Erpressung?
Mit was kann man überhaupt drohen? Maximal mit der Exkommunizierung. Und das wäre schon ein drastischer Schritt (von dem ich nicht annehme, dass er als Möglichkeit in diesem Brief erwähnt wurde). Ich kann mir sogar vorstellen, dass man dadurch in Polen noch ernsthaft politisch beschädigt würde. Aber wenn dem so wäre: Ja und? Gibt es ein Recht darauf, nicht politisch beschädigt zu werden?

borisbaran
19.10.2010, 17:01
"Eugenik"? Wieder mal "Godwin's law" bzw "Reductio ad Hitlerum" :zzz:

dr-esperanto
19.10.2010, 23:03
Eine Drohung liegt eigentlich nicht vor (das ist nur antikirchliche rhetorische Übertreibung). Erzbischof Hoser hatte halt nur gesagt, dass Politiker, die pro In-vitro-Fertilisation sind, automatisch außerhalb der Kirche stehen, also exkommuniziert sind: http://wiadomosci.wp.pl/kat,1342,title,Poslowie-ktorzy-popra-in-vitro-beda-poza-Kosciolem,wid,12764216,wiadomosc.html?ticaid=1b178

Sauerländer
19.10.2010, 23:12
Eine Drohung liegt eigentlich nicht vor (das ist nur antikirchliche rhetorische Übertreibung). Erzbischof Hoser hatte halt nur gesagt, dass Politiker, die pro In-vitro-Fertilisation sind, automatisch außerhalb der Kirche stehen, also exkommuniziert sind: http://wiadomosci.wp.pl/kat,1342,title,Poslowie-ktorzy-popra-in-vitro-beda-poza-Kosciolem,wid,12764216,wiadomosc.html?ticaid=1b178
Das ist zwar in der Tat eine recht heftige (aber durchaus zu rechtfertigende) Äusserung - aber was daran ist eine Erpressung? Das ist lediglich die Feststellung eines Faktums.
Wenn Anton Schlagmichtot Mitglied in einem Schützenverein ist, und es kommt raus, dass Anton Schlagmichtot Waffenbesitz als radikaler Pazifist ablehnt und sich politisch für ein Verbot einsetzt - wird der Verein ihn wohl ausschließen. Das ist, ganz banal, das Recht dieses Vereins.
Zugegeben, das ist blöd für Anton, wenn er in diesem Land regieren will, dort eine große Mehrheit in Schützenvereinen organisiert ist und ist durchaus vorstellbar wäre, dass von denen viele, würde dieser Vorgang bekannt, eine solche Person nicht mehr wählen würden. Aber...wie soll ich sagen... Pech gehabt.
Will Anton jetzt allen Ernstes ein Recht geltend machen, dass er nicht ausgeschlossen werden darf, ja dass man ihn nichtmal als Waffengegner bezeichnen darf (obwohl er das ist), nur weil all die Schützen im Land ihn sonst möglicherweise nicht mehr wählen?

Schwachsinn.

EinDachs
19.10.2010, 23:20
Maximal mit der Exkommunizierung. Und das wäre schon ein drastischer Schritt (von dem ich nicht annehme, dass er als Möglichkeit in diesem Brief erwähnt wurde).

Exkommunikation ist als Schritt gar nicht so selten. Sobald du eine Abtreibung finanzierst, durchführst oder befürwortest erfolgt die automatisch.
Auch wenn du den Freimaurern beitrittst. Oder eine Frau zur Priesterin weihst.
Ich selbst hab eine Zeit lang Exkommunikationen gesammelt, ich bin auf 7 gekommen.

Sauerländer
19.10.2010, 23:27
Exkommunikation ist als Schritt gar nicht so selten. Sobald du eine Abtreibung finanzierst, durchführst oder befürwortest erfolgt die automatisch.
Auch wenn du den Freimaurern beitrittst. Oder eine Frau zur Priesterin weihst.
Ich selbst hab eine Zeit lang Exkommunikationen gesammelt, ich bin auf 7 gekommen.
Mir wäre nicht geläufig, dass das tatsächlich derart radikal umgesetzt wird. Dann wären nämlich diverse Spitzenpolitiker "draussen", durchaus auch in Ländern, wo
das noch einen echten Effekt auf deren Karriere hat.
Freimauererbeitritt und Frauenpriesterweihe sind zwar auch schon arg jenseits der Linie, aber selbst dann muss das (Fachleute, Kirchenrechtler u.dgl. mögen mich widerlegen) in meinen Augen noch formal vollzogen werden.

EinDachs
19.10.2010, 23:42
Mir wäre nicht geläufig, dass das tatsächlich derart radikal umgesetzt wird. Dann wären nämlich diverse Spitzenpolitiker "draussen", durchaus auch in Ländern, wo
das noch einen echten Effekt auf deren Karriere hat.
Freimauererbeitritt und Frauenpriesterweihe sind zwar auch schon arg jenseits der Linie, aber selbst dann muss das (Fachleute, Kirchenrechtler u.dgl. mögen mich widerlegen) in meinen Augen noch formal vollzogen werden.

Nein, muss es nicht.
Zumindest nicht bei einer Tatstrafe, "excommunicatio latae sententiae" wie der Kirchenlateiner scheinbar sagt, die tritt automatisch in Kraft, sobald sich der Täter bewusst ist, dass er entgegen den Anweisungen der Kirche handelt. Das kann dann noch verkündet werden, muss aber nicht passieren. Es gibt auch noch die Spruchstrafe, die muss durch einen Bischof oder Papst ausgesprochen werden.
Ist allerdings ohnehin defacto folgenlos: Man kann dann keine kirchlichen Ämter mehr ausüben und kann keine Sakramente empfangen (genau genommen, sie zählen dann nicht).

Sauerländer
19.10.2010, 23:48
Nein, muss es nicht.
Zumindest nicht bei einer Tatstrafe, "excommunicatio latae sententiae" wie der Kirchenlateiner scheinbar sagt, die tritt automatisch in Kraft, sobald sich der Täter bewusst ist, dass er entgegen den Anweisungen der Kirche handelt. Das kann dann noch verkündet werden, muss aber nicht passieren. Es gibt auch noch die Spruchstrafe, die muss durch einen Bischof oder Papst ausgesprochen werden.
Ist allerdings ohnehin defacto folgenlos: Man kann dann keine kirchlichen Ämter mehr ausüben und kann keine Sakramente empfangen (genau genommen, sie zählen dann nicht).
Gilt das tatsächlich für jede Handlung, die (bewusst) gegen kirchliches Gebot verstößt? Das kann ich mir irgendwie schwer vorstellen, denn dann wären um uns herum lauter Exkommunizierte (ich selbst wäre wohl auch einer), und Beichte sowie daran anschließende Sündenvergebung wären ad acta gelegt. Die Excommunicatio war aus meiner Sicht immer nur der Hammer für die wirklich üblen Fälle. Sollte ich mich derart getäuscht haben?

Nunja, folgenlos...
In Ländern, die massiv katholisch geprägt sind, kann sowas durchaus Karrieren beenden.

EinDachs
20.10.2010, 00:05
Gilt das tatsächlich für jede Handlung, die (bewusst) gegen kirchliches Gebot verstößt? Das kann ich mir irgendwie schwer vorstellen, denn dann wären um uns herum lauter Exkommunizierte (ich selbst wäre wohl auch einer), und Beichte sowie daran anschließende Sündenvergebung wären ad acta gelegt.

Nein, es muss schon eine gewisse Schwere haben. Der Katechismus ist voll von genauen Regeln, wann exkommuniziert wird. Viele davon sind sehr sehr speziell.
Etwa wenn man als Hilfskarft bei der Papstwahl Verhandlungszwischenstände nach außen weiter gibt.


Die Excommunicatio war aus meiner Sicht immer nur der Hammer für die wirklich üblen Fälle. Sollte ich mich derart getäuscht haben?

Die Kirche kann recht kleinlich sein.
Die Pille nehmen ist ein wirklich übler Fall in deren Augen.
http://www.katholisch-leben.org/exkommunikation.htm


Nunja, folgenlos...
In Ländern, die massiv katholisch geprägt sind, kann sowas durchaus Karrieren beenden.

Auch nur, wenn's bekannt ist. Ich schätz mal 99,9% aller Exkommunikationen bemerkt nicht mal die Kirche. Wer in einem massiv katholisch geprägtem Land öffentlich herumerzählt, wie er abtreibt und FRauen zu Priesterinnen weiht, wird mangels sozialer Intelligenz ohnehin nicht viel Karriere vor sich gehabt haben.

marc
20.10.2010, 00:08
Ach, übrigens:
Wir hatten mal einen Strang über Mozart und die Freimaurer, ich habe gerade ein Stück Mozart in der Signatur und mir ist noch manches unklar, was Exkommunikation und Freimaurerei betrifft.

Denn:
Unter Ratzinger als Präfekt hat die Kongregation für die Glaubenslehre bezogen auf die Freimaurerei geschrieben:

Es wurde die Frage gestellt, ob sich das Urteil der Kirche über die Freimaurerei durch die Tatsache geändert hat, daß der neue CIC sie nicht ausdrücklich erwähnt wie der frühere.

Diese Kongregation ist in der Lage zu antworten, daß diesem Umstand das gleiche Kriterium der Redaktion zugrunde liegt wie für andere Vereinigungen, die gleichfalls nicht erwähnt wurden, weil sie in breitere Kategorien eingegliedert sind.

Das negative Urteil der Kirche über die freimaurerischen Vereinigungen bleibt also unverändert, weil ihre Prinzipien immer als unvereinbar mit der Lehre der Kirche betrachtet wurden und deshalb der Beitritt zu ihnen verboten bleibt. Die Gläubigen, die freimaurerischen Vereinigungen angehören, befinden sich also im Stand der schweren Sünde und können nicht die heilige Kommunion empfangen.

Autoritäten der Ortskirche steht es nicht zu, sich über das Wesen freimaurerischer Vereinigungen in einem Urteil zu äußern, das das oben Bestimmte außer Kraft setzt, und zwar in Übereinstimmung mit der Erklärung dieser Kongregation vom 17. Februar 1981 (vgl. AAS 73/1981; S. 240-241).

Papst Johannes Paul II, hat diese Erklärung, die in der ordentlichen Sitzung dieser Kongregation beschlossen wurde, bei der dem unterzeichneten Kardinalpräfekten gewährten Audienz bestätigt und ihre Veröffentlichung angeordnet.

Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, 26. November 1983.
http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_19831126_declaration-masonic_ge.html

Es heißt also einerseits, daß das Urteil der Kirche unverändert sei, andererseits steht aber dort, daß Gläubige, die Mitglied in Logen seien, "im Stand der schweren Sünde seien" und nicht kommunizieren dürften. Aber sich im Stand der schweren Sünde zu befinden und exkommuniziert sein, sind doch eigentlich zwei paar Schuhe. Vorallem, weil man als jemand, der im Stand der schweren Sünde ist, eine gültige Beichte ablegen darf - als Exkommunizierter hingegen nicht. Und soweit ich weiß, war das Urteil der Kirche immer: Freimaurerei -> Exkommunikation. ?(

Und ich frage mich an der Stelle auch, ob Mozart, der von Papst Benedikt fast schon als Gottesbeweis angeführt wird, nicht eigentlich exkommuniziert war, bzw. sich selbst exkommuniziert hat. Es gibt wohl Autoren, die das behaupten und sich auf Aussagen stützen, nach denen es seinen Angehörigen sehr schwer gefallen sei, "einen dieser Unmenschen" (d.h. Priester) dazu zu bewegen, ihm die Sterbekommunion zu erteilen und er sie nicht letztlich nicht bekam. Hm.

dr-esperanto
20.10.2010, 00:11
Wenn eine Abtreiberin beichtet, die Absolution bekommt und Buße tut, ist sie auch nicht mehr exkommuniziert.