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Vollständige Version anzeigen : Roland Koch - der "aufgeklärte Konservative"



marc
05.10.2010, 11:36
Freuet euch und frohlocket: auch Roland Koch hat jetzt ein Buch geschrieben ("Konservativ: Ohne Werte und Prinzipien ist kein Staat zu machen"), und die FAS zum ultimativen Streitgespräch mit dem "konservativen Vollblutpolitiker" (http://www.faz.net/s/RubCB85F279145C457C8259D20FF00682A9/Doc~E88C1D97066704C7D9E45B39C91EB975E~ATpl~Ecommon ~Sspezial.html) geladen.

Gehen wir das mal durch:

Natürlich ist es konservativ, wenn Ursula von der Leyen alles tut, damit junge Leute auch weiterhin Familien gründen können.
Damit fängt's schonmal an; Kommentar überflüssig. Obwohl: Was ist eigentlich eine "Familie"? Dazu Roland Koch:


Wo dieses Kind in einer stabilen Gemeinschaft zu Hause ist, da wird Familie gelebt.
Aha. Familie ist, wo Kinder in einer "stabilen Gemeinschaft" zu Hause sind. Okay, ist eine legitime Position. Aber "konservativ"? Da hakt auch die FAS nach:


Und warum dann: „Familie ist, wo Kinder sind“? Dieser Satz ist schierer Unsinn.
Worauf der Konservative unmißverständlich erwidert:


Der Satz ist einfach richtig.
Touché!
Denn:


Man darf nicht ignorieren, dass das ["traditionelle Familienebild"] für einen sehr relevanten Teil dieser Gesellschaft nicht mehr stimmt, dass wir damit umgehen müssen und dass wir schauen müssen, welche Werte an dieser Stelle eine Rolle spielen.
Konservativ ist also Anpassung an die Werte "sehr relevanter Teile der Gesellschaft". (Es sei denn natürlich, es geht um Muslime, die EU, den Euro, Volksabstimmungen über Minarette usw. usf.)
Apropos, was sagt der konservative Vollblutpolitiker eigentlich zu Sarrazin?


Wenn Leuten wie Sarrazin die Diskussion überlassen wird, dann werden Konservative verlieren.
Achso.


Sarrazins Standpunkt ist ja am Ende nicht akzeptabel für aufgeklärte Konservative.
Für aufgeklärte Konservative...


Eine kluge Analyse mit unerträglichen Folgerungen ist keine konservative Politik.
Schöner Satz. Eine kluge Analyse mit unerträglichen Folgerungen ist keine konservative Politik. Wäre also eine fehlerhafte Analyse mit erträglichen Folgerungen eher im Sinne konservativer Politik? Vermutlich.
Aber weiter im Text:


Es gibt in der Führung der Union bald eher mehr Konservative. Gerade mit Angela Merkel können die gut auskommen.
:umkipp:


Konservative sind nicht der Nabel der Welt. Aber sie halten den Nabel in der Mitte.
Jemanden, der solche Sätze verbricht, sollte man eigentlich das Existenzrecht entziehen. Ist ja wie in einer Predigt von einem modernen Pfarrer: Christen sind nicht der Nabel der Welt, aber sie halten den Nabel in der Mitte, Jesses Maria...
Apropos Existenzberechtigung:


Aber das wird nicht passieren, weil eine freiheitliche Gesellschaft ohne Konservative nicht leben kann.
Ist das die Existenzberechtigung von "aufgeklärten Konservativen"? Die "freiheitliche Gesellschaft" zu stärken und zu sichern? Anscheinend.


Wir haben eine schöne Gesellschaft, mit der wir sehr zufrieden sein können. Und wir als Konservative haben an dieser Gesellschaft schon mal mindestens so viel mitgewirkt wie jene, die sich Linke nennen.
"Aufgeklärte Konservative" wie er haben an dieser Gesellschaft mindestens so viel mitgewirkt wie jene, die sich Linke nennen; da hat er allerdings recht.
Zurück zur Familie:


Auf der einen Seite sollen Arbeitnehmer mit flexiblen Arbeitsverhältnissen leben, auf der anderen eine Familie gründen, ein Haus bauen und sich um ihre Eltern kümmern. Dieses Spannungsfeld müssen wir aushalten. Denn wir können auch als Konservative nicht wollen, dass die Wirtschaft langsamer wächst, nur damit die Leute nicht umziehen müssen für einen Arbeitsplatz.
Ebenfalls eine legitime Position - aber "konservativ"? Sind "konservative Werte" letztlich nur in dem Maße möglich, wie es der Wirtschaftsliberalismus und das Wirtschaftswachstum erlauben? Und wenn das bedroht ist, müssen eben zum Beispiel auch Frauen zu Manager_innen herangezüchtet werden?

Wie auch immer; man sieht mal wieder, warum diese defensive Begriff "Konservativ" (meines Wissens entstanden, als man "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" verhindern und Distanz, Differenz und Ordnung konservieren wollte) oft so einen schalen Beigeschmack erhält.
Andererseits kann das Wort natürlich nichts für Roland Koch.

Felix Krull
05.10.2010, 11:42
Der Chef-Koch entpuppt sich als bloßer Küchengehilfe, dessen unappetitlicher Wortsalat mit jedem Satz der dazu kommt immer mehr einem Eintopf der Beliebigkeit ähnelt.

Strandwanderer
05.10.2010, 11:43
Im Eingangsbeitrag wurde der Berufsschwätzer gekonnt auseinandergenommen!

Warum haben das die FAS-"Qualitätsjournalisten" eigentlich nicht hingekriegt?

derRevisor
05.10.2010, 11:45
Im Eingangsbeitrag wurde der Berufsschwätzer gekonnt auseinandergenommen!

Warum haben das die FAS-"Qualitätsjournalisten" eigentlich nicht hingekriegt?

Die wollen noch Karierre machen.

twoxego
05.10.2010, 11:51
noch ein weihnachtsgeschenk für leute, die man nicht leiden kann.

berty
05.10.2010, 11:56
Freuet euch und frohlocket: auch Roland Koch hat jetzt ein Buch geschrieben ("Konservativ: Ohne Werte und Prinzipien ist kein Staat zu machen"), und die FAS zum ultimativen Streitgespräch mit dem "konservativen Vollblutpolitiker" (http://www.faz.net/s/RubCB85F279145C457C8259D20FF00682A9/Doc~E88C1D97066704C7D9E45B39C91EB975E~ATpl~Ecommon ~Sspezial.html) geladen.

Gehen wir das mal durch:

Damit fängt's schonmal an; Kommentar überflüssig. Obwohl: Was ist eigentlich eine "Familie"? Dazu Roland Koch:


Aha. Familie ist, wo Kinder in einer "stabilen Gemeinschaft" zu Hause sind. Okay, ist eine legitime Position. Aber "konservativ"? Da hakt auch die FAS nach:


Worauf der Konservative unmißverständlich erwidert:


Touché!
Denn:


Konservativ ist also Anpassung an die Werte "sehr relevanter Teile der Gesellschaft". (Es sei denn natürlich, es geht um Muslime, die EU, den Euro, Volksabstimmungen über Minarette usw. usf.)
Apropos, was sagt der konservative Vollblutpolitiker eigentlich zu Sarrazin?


Achso.


Für aufgeklärte Konservative...


Schöner Satz. Eine kluge Analyse mit unerträglichen Folgerungen ist keine konservative Politik. Wäre also eine fehlerhafte Analyse mit erträglichen Folgerungen eher im Sinne konservativer Politik? Vermutlich.
Aber weiter im Text:


:umkipp:


Jemanden, der solche Sätze verbricht, sollte man eigentlich das Existenzrecht entziehen. Ist ja wie in einer Predigt von einem modernen Pfarrer: Christen sind nicht der Nabel der Welt, aber sie halten den Nabel in der Mitte, Jesses Maria...
Apropos Existenzberechtigung:


Ist das die Existenzberechtigung von "aufgeklärten Konservativen"? Die "freiheitliche Gesellschaft" zu stärken und zu sichern? Anscheinend.


"Aufgeklärte Konservative" wie er haben an dieser Gesellschaft mindestens so viel mitgewirkt wie jene, die sich Linke nennen; da hat er allerdings recht.
Zurück zur Familie:


Ebenfalls eine legitime Position - aber "konservativ"? Sind "konservative Werte" letztlich nur in dem Maße möglich, wie es der Wirtschaftsliberalismus und das Wirtschaftswachstum erlauben? Und wenn das bedroht ist, müssen eben zum Beispiel auch Frauen zu Manager_innen herangezüchtet werden?

Wie auch immer; man sieht mal wieder, warum diese defensive Begriff "Konservativ" (meines Wissens entstanden, als man "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" verhindern und Distanz, Differenz und Ordnung konservieren wollte) oft so einen schalen Beigeschmack erhält.
Andererseits kann das Wort natürlich nichts für Roland Koch.

Sei nicht so streng mit ihm. Immerhin hat er versprochen, nicht mehr in die Politik zurückzukehren. Das ist doch schon was.

BRDDR_geschaedigter
05.10.2010, 12:31
Im Eingangsbeitrag wurde der Berufsschwätzer gekonnt auseinandergenommen!

Warum haben das die FAS-"Qualitätsjournalisten" eigentlich nicht hingekriegt?

Die sind wahrscheinlich schon so Links im Kopf, dass diesen Schwachsinn wirklich für konservativ halten.

Tormentor
05.10.2010, 13:08
Dass ein Mensch wie Roland Koch, der schlicht ein wirtschaftsliberaler Karrierist mit gelegentlichem Hang zum Populismus ist, in unserer Gesellschaft als Beispiel für einen Konservativen herhalten muss, sagt eigentlich schon alles über das politische Dilemma dieses Landes aus.

König
05.10.2010, 13:34
Das Notwendige hat Karlheinz Weißmann auf Sezession.de (http://www.sezession.de/20334/koch-konservativ.html) gesagt:

(...)
Wenn, dann ist Kochs Konservatismus formaler Natur: Er will den Ist-Zustand bewahren. Daher auch die merkwürdige Weigerung, ein Urteil über die herrschenden Verhältnisse abzugeben, selbst dann, wenn die aus konservativer Sicht problematisch erscheinen müssen. Keiner soll einsam sein und niemand diskriminiert werden, nicht sein Exkollege Beust, der mit einem „Heranwachsenden“ (Zastrow) in gleichgeschlechtlichem Verhältnis lebt, nicht der Ehebrecher, nicht die Alleinerziehende, nicht der Moslem.

Nach Koch ist dieser „Konservatismus“ das Zukunftsmodell. Heute habe seine Stunde geschlagen. Deshalb wird die Kanzlerin sein Werk bald auf der Buchmesse vorstellen und die Zahl der Kochschen Konservativen in der Unionsführung immer größer, Männer und Frauen wie er, Hinhalter, Abfindungsformeln murmelnd, immer einen Sachzwang in Reserve oder den Verweis auf die Alternativlosigkeit.

Fairerweise muß man zugeben, daß das alles abzusehen war. Spätestens beim Großen Zapfenstreich aus Anlaß von Kochs Verabschiedung. Da trat Udo Jürgens als Ehrengast auf, und das Musikkorps der Bundeswehr brachte auf besonderen Wunsch des scheidenden Ministerpräsidenten ein Potpourri mit Jürgens-Titeln, irgendwo zwischen preußischen Armeemärschen und „Ich bete an die Macht der Liebe“.

Natürlich hat die Begeisterung für Jürgens etwas Altbackenes, das man mit Übelwollen als „konservativ“ bezeichnen kann. Aber die Sympathie des Politikers für den Künstler geht tiefer, erklärt sich aus Kochs Bewunderung für den Wandlungsfähigen. Wandlungsfähigkeit ist nach seiner Meinung ein hervorstechendes Merkmal der Konservativen („Die definieren sich immer wieder neu, die häuten sich, seitdem es sie gibt. Konservatismus darf ja nicht blutleer oder starrsinnig daherkommen, sondern muss in den realen Lebensbedingungen Anknüpfungspunkte finden. Konservativ ist nicht statisch, nicht verknöchert, sondern steht offensiv in der Moderne“), und insofern kann Jürgens als konservativer Idealtyp gelten. Ein Mann mit osmotischer Fähigkeit zwecks Anpassung an den Zeitgeist: vom Nicht-Beatle und Idealschwiegersohn („Merci Cheri“) zum progressiven Kämpfer gegen Vorurteile („Ein ehrenswertes Haus“), Radikalpazifisten („Helden“) und Vorreiter des Multikulturalismus („Griechischer Wein“) bis zum Lieblingsinterpreten eines Unionspolitikers der Episode Merkel.

Bleibt noch eins nachzutragen: Vom universalen Diskriminierungsverbot will Koch nur eine Gruppe ausgenommen wissen: die „Reaktionäre“. Das sind solche Leute wie Sarrazin, die darauf beharren, daß man etwas tun kann, gegen Mißstände und Fehlentwicklungen. Mit denen will Koch nichts zu tun haben, – wir schon. Da sieht er die Scheidelinie, – wir auch.

So langsam, aber sicher trennt sich die Spreu vom Weizen.

Kara Ben Nemsi
05.10.2010, 14:07
Passend dazu:

http://www.hss.de/uploads/tx_ddceventsbrowser/AA-52_Konservatismus_01.pdf

Sprecher
05.10.2010, 19:49
Koch war noch nie konservativ. Ein langweiliger Technokrat und Wirtschaftslobbiest, mehr war der nie.

Sprecher
05.10.2010, 19:51
Aber manche halten ja auch Merz und Guttenberg für "konservativ" insofern paßt es dann wieder.

Odin
05.10.2010, 20:15
Alles Schwuchteln.

Sprecher
05.10.2010, 22:25
Treffender kann man es nicht formulieren :D