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Vollständige Version anzeigen : Postpatriarchale Kirche



sisyphos
05.10.2010, 11:06
"Eine Kirche, die wir lieben können"



Ich finde die Formulierung von Bärbel Wartenberg-Potter „Eine Kirche, die wir lieben können“ sehr schön und viel besser als „geschlechtergerechte“ Kirche. Das Wort „Geschlechtergerecht“ ist in der Tat ein Ungetüm, und ebenso schrecklich wie das, was es aussagt: Geschlechtergerechtigkeit ist doch kein Zweck an sich, denn eine Welt, in der es im Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter zwar gut bestellt ist, alles andere aber so ungerecht bleibt, wie es bisher schon war, ist doch nicht erstrebenswert. Und ich finde, in Deutschland nähern wir uns diesem Zustand so langsam an: Gleichstellung der Frauen bei gleichzeitiger Verschlimmerung von sozialer Ungleichheit usw.



Also: An einer geschlechtergerechten Kirche liegt mir gar nichts, sondern mein Kriterium ist, ob es eine gute Kirche ist, eine, in der Gottes Wille aufgehoben ist, eine, die es Menschen ermöglicht, spirituelle Erfahrungen zu machen und die sozusagen die Notwendigkeit einer transzendenten Dimension in einer materialistischen und vernunft-rationalistisichen Welt wachhält – so eine Kirche müsste es meiner Meinung nach sein.

[...]
Mir ist dabei wichtig, dass mein Maßstab, mein Kriterium für mein innerkirchliches, inner-institutionelles Handeln, nicht diese Institution selbst ist, sondern vielmehr jene postpatriarchale, von weiblicher Liebe zur Freiheit getragene Kirche, die quer zu den Institutionengrenzen verläuft, aber damit nicht weniger real ist. Hier ist mein spiritueller Ort, hier wird eine religiöse Praxis gelebt, die mir Begegnungen mit Gott ermöglicht, hier habe ich den Heiligen Geist wehen sehen, hier finde ich Anbindung an die Transzendenz und die christliche Gemeinschaft mit anderen. Und aus all dem gewinne ich eine Stärke, die es mir ermöglicht, wiederum auch innerhalb der weltlichen Institution Kirche, ebenso wie überhaupt in der weltlichen Realität, so wie ich sie vorfinde, mit all ihren Hindernissen und Problemen, sinnvoll handeln zu können.

Quelle: http://www.antjeschrupp.de/postpatriarchale_kirche.htm

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Ein relativ netter Artikel den ich euch nicht vorenthalten wollte. Jedenfalls kann ich solch einer offenen Spielart christlichen Denkens etwas abgewinnen. Der letzte Absatz zeigt sehr deutlich auch die untergründige naturreligiösen Bezüge.

Sauerländer
05.10.2010, 12:01
Um es einmal so zu formulieren:
Der gute alte Sauerländer rechnet sich einer Kirche zu, die wohl eher nicht als "postpatriarchal" zu bezeichnen ist. Und kann damit sehr, sehr gut leben. :)

sisyphos
05.10.2010, 12:05
Um es einmal so zu formulieren:
Der gute alte Sauerländer rechnet sich einer Kirche zu, die wohl eher nicht als "postpatriarchal" zu bezeichnen ist. Und kann damit sehr, sehr gut leben. :)

Ich finde die Gleichstellung der Frau angenehmer. Eben auch, weil ich die moralische Verurteilung 'des Fleischlichen' nicht teile. Postpatriarchale Religion befürworte ich - aber das soll nicht bedeuten, dass ich Hierarchien und Autoritäten ablehne. Diese sind je nach Funktion notwendig und strukturell sinnvoll.

-jmw-
05.10.2010, 12:08
Kirche - patres = sinnlos

marc
05.10.2010, 12:54
schön
besser
gute Kirche
netter
angenehmer
strukturell sinnvoll

Das Problem bei derlei auf dem Reißbrett konstruierten Kirchen ist, daß sie eben auf dem Reißbrett konstruiert wurden und die falschen Kriterien verwenden; so wie zum Beispiel "schön", "angenehm" und "strukturell sinnvoll". Man geht also von funktionalistischen Kriterien aus (Was nützt mir das? Wozu taugt das?) und interessiert sich nicht mehr für die Wahrheit als Kriterium. Die NZZ brachte mal eine Serie mit dem Titel "Was ist eine gute Religion?", und gab dann lauter Intellektuellen und "Intellektuellen" die Gelegenheit, über den psychotherapeutischen, den soziologischen oder den ökonomischen Nutzen verschiedener Religion zu referieren. Es mag jetzt zwar sein, daß Religionen einen sozialen Nutzen haben können, aber wenn man nur noch versucht, sie als psychotherapeutischen Trick oder soziologisches Hilfskonstrukt zu verwenden, funktioniert das Ganze auch nicht mehr, und anstatt die Gesellschaft zu beeinflußen, ordnet sich die Religion mächtigeren Faktoren unter nach dem Motto "Buddha für Manager".

Anstatt sich also die Frage zu stellen, ob eine Kirche oder eine Religion "angenehm", "schön" und "strukturell sinnvoll" ist, sollte man sich überlegen, ob sie wahr ist. Wann ist eine Religion gut? Eine Religion ist dann gut, wenn sie wahr ist - oder nein, präziser: wenn sie wahr ist, ist es gleichgültig, ob sie von Person x/y nun als schön oder häßlich, als korrekt oder inkorrekt empfunden wird.
(Wobei man natürlich sagen könnte, daß man sich dann dennoch dagegen auflehnt, aber das dürfte nur eine Minderheit betreffen.)

sisyphos
05.10.2010, 19:08
Anstatt sich also die Frage zu stellen, ob eine Kirche oder eine Religion "angenehm", "schön" und "strukturell sinnvoll" ist, sollte man sich überlegen, ob sie wahr ist. Wann ist eine Religion gut? Eine Religion ist dann gut, wenn sie wahr ist - oder nein, präziser: wenn sie wahr ist, ist es gleichgültig, ob sie von Person x/y nun als schön oder häßlich, als korrekt oder inkorrekt empfunden wird.
(Wobei man natürlich sagen könnte, daß man sich dann dennoch dagegen auflehnt, aber das dürfte nur eine Minderheit betreffen.)

Ich finde da solltest du etwas trennen: die postpatriarchale Kirche als Schlagbegriff gefällt mir, weil sie in meinen Augen vermenschlichter ist. Eine Kirche soll gemeinschaftlich ein spiritueller Gewinn sein, wieso also die Frauen nicht gleichstellen?

Strukturell sinnvoll: damit meinte ich nicht die Kirche oder die Religion an sich, sondern Autoritäten und Hierarchien in religiösen Gemeinschaften. Diese sollten natürlich auch freiwillig und offen sein und nicht starr und unterdrückend; sie sollten auf einer lebendigen inneren Dynamik beruhen, gestützt durch die Basis.

sisyphos
05.10.2010, 20:12
[...]

Was die Wahrheit anbelangt, so glaube ich nicht, dass irgend eine Religion oder irgend ein Mensch ( ob nun 'Prophet', selbsternannter Heiliger oder doch nur Schäfchen ) im Besitz der endgültigen 'spirituellen Wahrheit' ist. Daher lehne ich religiöse Dogmen ab. Religion ( wörtlich - Rückverbindung ) ist ein subjektiver Prozess der Sinnsuche und des Glaubens. Die katholische Kirche als solche beansprucht zwar Wahrheit, aber im Angesicht einer sehr viel facettenreicheren religiösen Weltgeschichte ist das Murks...

Sauerländer
05.10.2010, 21:02
Was die Wahrheit anbelangt, so glaube ich nicht, dass irgend eine Religion oder irgend ein Mensch ( ob nun 'Prophet', selbsternannter Heiliger oder doch nur Schäfchen ) im Besitz der endgültigen 'spirituellen Wahrheit' ist. Daher lehne ich religiöse Dogmen ab. Religion ( wörtlich - Rückverbindung ) ist ein subjektiver Prozess der Sinnsuche und des Glaubens. Die katholische Kirche als solche beansprucht zwar Wahrheit, aber im Angesicht einer sehr viel facettenreicheren religiösen Weltgeschichte ist das Murks...
Das kann man so sehen.
Aber dann hat sich Kirche erledigt.
Dann ist der Zugang zur Spiritualität rein individualistisch, dann ist jeder Glaube gleich viel wert, und da dem eigenen danach kein Vorrang gegenüber einem anderen zukommt, gibt es letztlich keinen Grund, ihm anzuhängen. Dann kann man auch eine Liste machen - und würfeln.

Sauerländer
05.10.2010, 21:08
Ich finde die Gleichstellung der Frau angenehmer.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich will hier keinem Zustand weiblicher Rechtlosigkeit das Wort reden. Der hat in unserem Kulturkreis auch keine Tradition.
Aber das wäre auch was anderes als die Ablehnung einer allgemeinen Egalität.

Eben auch, weil ich die moralische Verurteilung 'des Fleischlichen' nicht teile.
Oh, im Sinne dieser Formulierung teile ich die auch nicht.

Postpatriarchale Religion befürworte ich - aber das soll nicht bedeuten, dass ich Hierarchien und Autoritäten ablehne. Diese sind je nach Funktion notwendig und strukturell sinnvoll.
Sagen wir, die Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit in dieser Hinsicht bringen mich dazu, mich in der Auffassung bestätigt zu sehen, dass von anderen Erwägungen (marc sprach das bereits an) ganz abgesehen auch rein nach Funktion das Hierarchiegefüge nach römisch-katholischer Art sinnvoll ist.

sisyphos
06.10.2010, 15:44
Das kann man so sehen.
Aber dann hat sich Kirche erledigt.
Dann ist der Zugang zur Spiritualität rein individualistisch, dann ist jeder Glaube gleich viel wert, und da dem eigenen danach kein Vorrang gegenüber einem anderen zukommt, gibt es letztlich keinen Grund, ihm anzuhängen. Dann kann man auch eine Liste machen - und würfeln.

Dem Eigenen sollte man immer den Vorzug geben.

Obgleich ich weiß, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben selbst einen spirituellen Sinn zu finden. Entweder weil sie intellektuell dazu nicht imstande sind oder aber weil sie keine Zeit dazu haben. Weil ich schlicht nicht weiß wer Recht hat, kann ich nicht an DAS Recht glauben. Ich könnte zwar engstirnig DENNOCH Katholik sein, also mit dem Kopf durch die Wand gehen, aber viel mehr, als mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, bliebe dann gar nicht. Denn die vielen anderen spirituellen Wege, Religionen und Andersdenkenden kann ich nicht wegpredigen oder wegdiskutieren, sondern allenfalls ausblenden.

Eine religiöse Institution, sollte lebendig an der Basis sein, sonst fehlt ihr das spirituelle, sie ist zu sehr Herrschaftsgewalt, zu sehr Apparat und Bürokratie geworden, das könnte mich niemals reizen... ich möchte lebendige Spiritualität, ich möchte Gott schon fühlen oder Eindrücke von Sinn fühlen im Sinnen, und nicht Psalmen leer wiederkäuen, weil das eben zur Lithurgie gehört...

sisyphos
06.10.2010, 15:52
Aber dann hat sich Kirche erledigt.


Die Aufgabe der - will heißen: eines bestimmten Ausdruckes einer solchen in Formation - Kirche ( was meinen wir überhaupt damit? ) ist es nicht zu Lügen und Wahrheiten zu erheben, die keine sind, sondern das Spirituelle selbst zu zeigen. Da es aber nicht DAS spirituelle gibt, welches man allen Menschen vorsetzen könnte, was sie begriffen, also fühlen können, muss man ihnen klar machen, dass es viele Wege gibt und das ist nunmal nicht nur der verknöcherte katholische.

Neben Gleichheit an praktischen Möglichkeiten sollte eine solche Gemeinschaft auch eine Gleichheit der religiösen Wege gestatten, also die Individualität beherzigen, so wie die Natur auch nicht nur einzig ist, sondern eine Vielheit, ebensowenig kann die Religion einzig für sich wahr sein, es ist ja die Spiritualität, die Wahrheit erlangt, nicht der Papst, sondern letztlich das immanent oder transzendental Göttliche, dass sich durch dieses oder jenes fühlbar/sichtbar/erkennbar macht.

sisyphos
06.10.2010, 15:56
Dann kann man auch eine Liste machen - und würfeln.

Nein, eben nicht. Weil Religion Rückverbindung ist. Ein Würfel ersetzt nicht die Innerlichkeit, das Spirituelle, ich muss fühlen was zu mir passt, das heißt sich den Widersprüchen und Wahrheitsmöglichkeiten zu stellen, das ist der eigene Pilgerweg, wenn man so will, das ist höchstgradig anarchistisch, aber alles andere wäre Anmaßung...

sisyphos
06.10.2010, 16:06
Der Mensch hat sich doch nicht in den Schlamm zu werfen vor dem Spirituellen, vor den Dingen, vor Natur & Welt ( zuletzt auch vor sich selbst... ), sondern er hat sich auf den Weg zumachen sein Leben zu leben; Diesseitigkeit und Jenseitigkeit sind nur zwei Polaritäten des selben Prinzips Existenz. Eine bürokratische Kirche negiert soetwas ganz gehörig ( sie fordert Ehrfucht, eben weil sie Spiritualität nicht fühlbar macht, weil sie ganz und gar nicht mehr lebendig ist, wie es noch bei Jesus war, spielt sie mit der Angst und mit ihrer Macht ) und damit ist sie die Negation ihres eigenen Anspruchs: Wahrhaftig zu sein... ( das bedeutet fühlbar zu machen, die Vielheit, und nicht ein Einziges )